J.Nr. 788
Anl. 2 Auszüge
Auf Erlaß vom 8. v.Mts. - B.Nr. 8263 - und im Anschluß an mein heutiges Telegramm Nr. 129.
Die Liste der Forderungen der Deutschen Orientbank in Erserum ist der hiesigen Ottomanbank zur weiteren Veranlassung übersandt worden. Die Ottomanbank hat darauf mit dem im Auszuge beigefügten Schreiben vom 29. v.Mts. um nähere Angaben gebeten. Ich habe daher mit Telegramm Nr. 129 beantragt, die Wechsel auf Erserum in Urschrift hierher zu senden, nachdem sie auf die hiesige Ottomanbank indossiert sein werden. Auch die Deutsche Bank in Konstantinopel hat ihre Wechsel selbst hierher eingereicht. Die Vorlage der Urschriften wird früher oder später erfolgen müssen.
Nachdem mir der Wortlaut des „vorläufigen Gesetzes vom 13. September 1331 betr. die Güter, Schulden und Forderungen verschickter Personen“ bekannt geworden war, habe ich mich an die hiesige Ottomanbank mit der Anfrage gewandt, ob sie bereit sei, sämtliche Schritte zu tun, die von dem erwähnten Gesetze gefordert werden, bevor Schulden verschickter Personen bezahlt werden können. Die Bank hat mir erwidert, daß sie wohl die Eintragung der Forderungen bei der Kommission ad hoc vermitteln wolle, daß sie aber außer Stande sei, die weiter erforderlichen Schritte vor dem Richter ebenfalls zu unternehmen. Dieses könnte sie nur dann tun, wenn sie von ihrer Generaldirektion dazu angewiesen werden würde. Die Bank hat anheimgestellt, dieserhalb mit ihrer Generaldirektion in Verbindung zu treten.
Auszug auch dieses Schreibens füge ich bei.
In einer mündlichen Unterredung erklärte mir der Leiter der hiesigen Ottomanbank, sein Personal sei nicht zahlreich genug, um auch vor dem Richter die vielen Forderungen zu vertreten, die gegen Verschickte vorliegen. Dieser Teil des Vorgehens müsse einem Rechtsanwalt übertragen werden; seit der Vertreibung der Armenier sei hier aber kein einziger zuverlässiger Anwalt mehr vorhanden. Er schlage daher vor, daß sich die interessierten Banken zusammentun und auf gemeinsame Kosten einen vertrauenswürdigen Anwalt hierher senden, dem dann die Durchführung der Verfahren vor Gericht übertragen werden könne.
Ich bitte gehorsamst, die Deutsche Orientbank nach vorstehendem zu bescheiden.
Ich werde hierneben bei dem Ksl. Konsulat in Trapezunt anfragen ob dort etwa ein geeigneter Mann vorhanden ist, der zur Vertretung der Bankforderungen hierher geschickt werden könnte. In dieser Beziehung behalte ich mir einen weiteren Bericht gehorsamst vor.
Die Frage der hier in den Kirchen verwahrten armenischen Waren ist noch immer nicht endgültig gelöst. Der Direktor der hiesigen Ottomanbank hat bisher nur zugestanden, daß aus den Depots Waren, die für den Heeresgebrauch notwendig sind, militärisch requiriert werden können. Solche Requisitionen sind bereits vorgenommen worden. Im übrigen widerstrebt die hiesige Ottomanbank auch weiterhin der Herausgabe der Waren an die Kommission ad hoc. Diese Stellungnahme findet ihre sachliche Begründung in folgender Erwägung: Die Kommission würde die Waren sofort versteigern. Da der hiesige Markt aber im gegenwärtigen Augenblicke keines Falles in der Lage ist, die Masse der Waren aufzunehmen, würde nur ein geringer Teil des wirklichen Wertes hereingebracht werden. Eine Gefährdung der von der Bank vertretenen Forderungen erscheint danach gewiß. Die Bank wünscht aus diesen Gründen, den Verkauf selbst vorzunehmen und damit zu warten, bis am Markte normalere Verhältnisse eingetreten sein werden.
Der Leiter der hiesigen Ottomanbank hat der Kommission ad hoc gegenüber bisher die Auffassung vertreten, daß die in den Kirchen befindlichen Waren zur Sicherheit für die von der Bank vertretenen Forderungen hinterlegt worden seien und daß sie den Charakter eines Pfandes hätten. Die Kommission behauptet dagegen, daß die Waren zur Befriedigung sämtlicher Forderungen dienen müßten, die gegen ihre Eigentümer erhoben würden. Die Kommission leugnet also die Sonderrechte der von der Bank vertretenen Forderungen.
Der Leiter der hiesigen Ottomanbank beabsichtigt, der Herausgabe der Waren bis auf weiteres mit der Begründung zu widersprechen, daß es sich um „marchandises contestées“ handele, deren Verkauf die Kommission gemäß Artikel III des vorläufigen Gesetztes nicht durchführen dürfe. Er verhehlt sich nicht, daß die Verteidigung seines Standpunktes auf Schwierigkeiten stoßen würde, sollte die Angelegenheit vor die Gerichte kommen. Bei der Übernahme der in den Kirchen lagernden Waren ist nämlich von Seiten der Bank nur ein Verzeichnis der Waren aber keine Urkunde aufgestellt worden, die die Rechte der Bank und der von ihr vertretenen Forderungen irgendwie festlegt. Der Direktor wünscht daher zunächst eine entsprechende Anweisung seiner Generaldirektion zu erhalten, ehe er die Angelegenheit zur gerichtlichen Entscheidung kommen läßt.
Ich habe dem Direktor vorgeschlagen, die Ottomanbank bei den Versteigerungen als Selbstkäuferin eintreten zu lassen, falls die Herausgabe der Waren nicht zu umgehen sein würde. Hierdurch würde einer Verschleuderung der Waren entgegengewirkt und voraussichtlich erreicht werden, daß die von der Bank vertretenen Forderungen nicht ausfallen. Der Direktor hat mir erwidert, daß dieser Weg gangbar sei, daß er jedoch auch für derartige Schritte einer besonderen Anweisung seiner Generaldirektion bedürfe. Im Falle der Erteilung einer solchen Anweisung sei ferner die Bestellung von Sachverständigen erforderlich, die den Wert der zu ersteigernden Waren zu begutachten hätten.
Der Direktor hat vorgeschlagen, daß die Leiter der interessierten deutschen und österreichischen Banken, mit der Generaldirektion der Ottomanbank in Verbindung treten, mit ihr ein festes Arbeitsprogramm verabreden und der hiesigen Ottomanbank danach bestimmte Anweisungen erteilen.
Ich darf gehorsamst anheimstellen, die interessierten Banken entsprechend zu unterrichten. Ich werde indessen die Schritte des Leiters der hiesigen Ottomanbank nach Möglichkeit unterstützen.