Der Kaiserlichen Botschaft in Constantinopel gegen Durchschläge der Berichte zu.
J.Nr. 4226.
Im Anschluss meines Berichtes vom 24. Oktober erlaube ich mir, der Kaiserlichen Gesandtschaft ganz ergebenst weiter zu berichten.
Am 9. November habe ich mich nach Dedeagatsch begeben, um den durch die feindliche Flotte verursachten Schaden festzustellen, gleichzeitig auch einige Sachen von meiner Wohnung herzuschaffen.
In zuvorkommender Weise haben mir die Militär- und Zivil-Behörden jede Erleichterung für die Reise und die nötige Begleitung gegeben.
In Dedeagatsch angekommen, wurde ich mit meiner Begleitung und den anderen Mitreisenden zum Kommandanten N. Fournadjieff geführt, der uns nach kurzer Zeit freies Geleit nach unseren Wohnungen gab, wo wir übernachteten.
Der Kommandant Fournadjieff mit seinem Stabs-Kapitän Cestoff und Leutnant Angeloff, alle drei zu der bulgarischen Marine gehörend, haben seit dem 21. Oktober, Tag der ersten Beschießung Dedeagatschs bis heute große Tapferkeit und bewundernswürdige Unerschrockenheit gezeigt. Die Stadt, die fast vollständig von der Bevölkerung verlassen ist, befindet sich unter Bewachung der bulgarischen Marinesoldaten und der Miliz, die Armee selbst befindet sich in geschütztem Gelände unweit Dedeagatsch halbwegs der Station Badowa in Verteidigungsstellungen, um jedweden eventuellen Angriff von der Meeresseite aus abwehren zu können.
Die Bewachung der Stadt Dedeagatsch ist musterhaft, niemand kann ein Gebäude betreten ohne Ausweis. Auf diese Weise wurden Plünderungen verhindert. Niemand kann Effekten und Sachen wegbringen, ohne hierzu von der Kommandantur Erlaubnis erhalten zu haben.
Am 10. November erhielt ich die Erlaubnis, mich zu den Trümmern meines Bureaus zu begeben. Dieses fand ich total abgebrannt, ohne Möglichkeit, irgend etwas zu retten. Meinen Geldschrank, dessen Bargeld ich bereits am 21. Oktober entfernte, fand ich jedoch auf dem Trümmerhaufen liegend; nachdem von der feindlichen Flotte nichts zu sehen war, erhielt ich die Erlaubnis, mich mit dessen Öffnung zu beschäftigen.
Nach langem Arbeiten und Oelen gelang es mir, die Kasse zu öffnen und die sich darin befindlichen Dokumente zu entfernen, die mir sämtlich von den Militärbehörden ohne Schwierigkeit ausgefolgt wurden.
Hierauf begab ich mich nach dem Hafen, dieser sah wüst aus, der Wellenbrecher des kleinen Hafens war an vier Stellen durchschossen, desgleichen auch teilweise das Geleise der Orientalischen Eisenbahn. Sämtliche Lichter im Hafen, deren Zahl ich auf ungefähr 35 Stück bezifferte, ebenfalls die Waren, die sich auf dem Quai befanden, darunter Mais, Gerste, Valonea, Seife, Cocons, Zündhölzer, Manufakturwaren usw. usw. Das Zollamt und dessen Nebengebäude sowie die 16 massiven Magazine der Bahn, in denen sich Privatgüter der Kaufleute befanden, sind vollständig eingeäschert, der verursachte Schaden ist sehr gross, vorläufig aber noch nicht festzustellen.
Längsseits der Magazine am Hafen standen 15 Waggons mit Waren beladen, diese sind völlig verbrannt. Der Unterteil steht auf dem Geleise, der Oberteil inklusive Ladung ist vernichtet, die Güterexpedition ebenfalls sowie zwei Wagenladungen mit Postkollis aus Oesterreich-Ungarn und Deutschland, die für Griechenland bestimmt waren.
Sämtliche Gebäude am Hafen, deren Zahl auf 80 - 100 geschätzt werden kann, inklusive der grossen Getreidemühle G.D. Protopapas & Co, die die deutsche Firma Gebrüder Seck in Dresden zu Reklamezwecken zum Kostenpreis für Rechnung der obgenannten Eigentümer erbaut hat, wurde vernichtet. In derselben befand sich Getreide der Firma ...ujoundjian in Rustschuk, die diese hier für ein französisches Syndikat angekauft hatte. Vor der Mühle am Quai bis runter am Hafen sind grössere unter freiem Himmel mit Decken gelagerte Waren auch durch die Beschiessung vernichtet worden.
In der Stadt wurde die türkische Moschee auf der Hauptstrasse nicht weit von der Wohnung des Kommandanten Fournadjieff mit vier Bomben von den Aeroplanen belegt, desgleichen ein Gebäude in unmittelbarer Nähe des Hafenkapitäns und ein anderes im Manufakturladen Nessia B. Juda, nicht weit von meiner Wohnung. Man kann hieraus ersehen, dass die Ententekonsuln den Situationsplan der Stadt der Flotte gut bezeichnet hatten.
Der Leuchtturm, der laut russischen Berichten vernichtet wurde, steht auf seinem Platz, weil dieser mit französischem Kapital gebaut wurde. Die Kasernen, die von der türkischen Herrschaft her stammen, sind vernichtet worden, desgleichen die zwei Bahnhöfe, die Eisenbahnbrücke bei Kilometer 1 der Orientalischen Eisenbahnen und eine grosse Anzahl leerer Wagen, ferner ist die Station Badoma auf der Jonction-Strecke auch stark beschädigt.
Beim Durchgehen der Stadt Dedeagatsch bietet diese einen traurigen Anblick. Auf der Strasse liegen Fensterscheiben und Ziegel in Unmasse, die noch stehenden Häuser, meistenteils aus Fachwerk gebaut, befinden sich in einem bedauernswerten Zustand, selbst solide Gebäude haben durch den Effekt des Bombardements gelitten. Man schätzt, dass in den 4 1/2 Stunden Beschiessung mehr als 1000 Schuss abgefeuert worden sind.
Das russische Konsulat, welches sich hinter meiner Wohnung befindet, hat auch einen Schuss erhalten, doch wurde kein grosser Schaden angerichtet. Meine Wohnung mit Inhalt steht momentan noch unversehrt, desgleichen das türkische und österreichisch-ungarische Konsulat.
Am Donnerstag Abend, den 11. November zwischen 7 und 8 Uhr überflogen vier Hydroplane abermals Kuleliburgas und warfen Bomben; sie beschädigten eine Schiene der Strecke, die schnell ausgebessert wurde.
Von beiden Seiten Kuleli-Burgas sollen Schützengräben aufgeworfen sein, ferner sind Kanonen und Maschinengewehre nach dorten abgegangen.
Abschrift.