Heute erlaube ich mir, Sie um Ihre gütige Unterstützung in einer persönlichen Angelegenheit zu bitten.
Eine Postkarte v. Herrn Künzler aus Urfa, brachte mir gestern die traurige Nachricht vom Tode meines Schwiegervaters, des Pastors Bedros Krikorian, der seit 16 Jahren im Waisenhaus der deutschen Orient Mission - Urfa als Pastor und Hausvater tätig war.
Gleichzeitig schreibt Herr Kuenzler, daß meine Schwiegermutter (55 Jahre alt) mit ihrer jüngsten Tochter (15 Jahre) auf der Wanderschaft nach dem Süden ist, das heißt: in der Wüste unter den Nomadenstämmen.
Während mein Schwager vor einigen Monaten den Heldentod bei Meidos starb, werden seine Eltern, die seit 16 Jahren in einem deutschen Hause den Aermsten dienen, in die Verbannung geschickt.
Wie lange will unsere Regierung noch stille solchem Treiben zusehen?
Bahnarbeiter, die evtl. nur seit einigen Jahren angestellt sind, dürfen ihre Angehörigen zurückbehalten und ich muß still zusehen, wie die armen Angehörigen meiner Frau - trotz selbstloser Arbeit im Dienste der Menschheit und in engerem Sinn in deutscher Arbeit, unschuldig in die Wüste getrieben werden.
Kennen die Herren der Kaiserlichen Botschaft die Steppen von Mesopotamien?
Ich bitte Sie, sehr geehrter Herr Schmidt, von Herzen, bei der Kaiserlichen Botschaft mein Gesuch, daß man von der Hohen Pforte die Rücktransportierung meiner Schwiegermutter und meiner Schwägerin zu mir sowie die Gestattung deren Verbleibens in meiner Wohnung, - erbittet oder fordert, - zu unterstützen.
Hier in Konia sind bis jetzt sowohl „Protestanten“ oder auch „Angehörige von Soldaten“ von der Ausweisung ausgeschlossen gewesen. Für meine Schwiegermutter träfe beides zu - wenn auch ihr Sohn als Soldat z. Zt. nicht mehr existiert. Als drittes Beispiel sind Angehörige der Eisenbahn & deren Zubehör von der Verschickung ausgeschlossen gewesen.
Als Direktor der „Anatolischen“ gehöre ich im weiteren Sinne auch zur Bahn.
Ich bitte Sie deshalb von ganzem Herzen - unbekannter Weise - daß Sie mein Gesuch beim Herrn Botschafter befürworten möchten. Herr Dr. Franz Schmidt wird sich in Vertretung von Herrn Generaldirektor Günther mit Hrn. Prokurist Streuber zusammen Ihnen gern anschließen, glaube ich.
Einer gütigen Unterstützung gewärtig zeichne ich ganz ergebenst
[Telegramm 13.12. (B. Nr. 11069)]
Leider ist es mir nicht gelungen, Sie heute Morgen in einer eiligen Angelegenheit zu sprechen.
Ich überreiche Ihnen daher in der Anlage ein Schreiben des Herrn Willy Seeger, Leiter der Anatolischen Industrie- und Handelsgesellschaft m.b.H. in Konia, aus dem Sie alles Nähere zu ersehen belieben.
Es wäre doch sehr zu begrüssen, wenn die Verwandten eines deutschen Reichsangehörigen, der sich zumal jetzt in der Kriegszeit so sehr um deutsche Propaganda verdient gemacht hat wie Herr Seeger, vor dem Aeussersten zu schützen wären.