Enver Pascha ließ mich 19. XII. abends nach Ministerrat rufen.
pp.
Das Ziel der Türkei in diesem Kriege sei, sich als selbstständiger Staat zu erhalten und zu festigen, frei von Bevormundungen durch die Großmächte. Hierfür habe man die großen Opfer gebracht und will sie weiter bringen. Man habe mindestens 1/4 Millionen Menschen verloren und aus dem Lande weit mehr als 25 Millionen Pfund herausgepreßt. Die Türkei wolle kein Land erobern, sie hätte im Gegenteil im Interesse der gemeinsamen Sache ein Stück Land an Bulgarien abgetreten. Die Türkei füge sich bedingungslos den Wünschen unserer Obersten Heeresleitung in Bezug auf Verwendung der türkischen Armee. Sie denke nur an die gemeinsame große Sache, ohne eigennützige Interessen zu verfolgen. In Oberster Heeresleitung und Kriegsministerium arbeiten in wichtigsten Stellen deutsche Kameraden freundschaftlich mit den Türken.
Meine Ansicht ist folgende:
Nach dem Kriege wird unsere Haltung gegenüber der Türkei vielleicht zurückhaltend oder schroff sein können, während des Krieges müssen wir uns mit verbündeter Türkei und jetziger Regierung freundschaftlich stellen und gegenseitig vertrauen, vorausgesetzt, daß wir die aktive und energische Weiterführung des Krieges von türkischer Seite wünschen. Hierzu müssen wir den Türken auch die für notwendig erkannten Mittel geben, wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, daß die Türkei ihre eigenen Wege geht. Haben wir uns entschlossen, den Türken Geld zu geben, so wollen wir das tun, ohne Bedingungen daran zu knüpfen, die den Türken demütigend erscheinen. Ablehnt türkischer Ministerrat die von uns gestellten Bedingungen, so werden wir wahrscheinlich unsere Bedingungen zurückziehen und den Türken doch das unbedingt nötige Geld geben. Resultat ist dann Mißtrauen, Verstimmung und Erschwerung aller weiteren Verhandlungen. Zu bedenken bleibt, daß jetzige Regierung, vor allem Enver, Talaat und Halil, die deutsche Richtung im Comité vertreten, daß es jedoch im Comité eine andere Richtung gibt, die nichts oder wenig von uns wissen will. Stoßen wir die Deutschfreundlichen vor den Kopf und liefern wir denen, die uns nicht sehr lieben, Wasser auf die Mühlen, so könnten wir vielleicht einmal unliebsame Überraschungen erleben.
Enver Pascha bittet, daß er bald möglichst eine Antwort von Euerer Exzellenz erhält.
Nach meiner heutigen Besprechung mit Reichsschatzsekretär darf ich Enver Pascha zunächst versichern, daß es ihm ebenso fern liegt, wie irgend einem anderen maßgebenden Mann in Deutschland die Hoheitsrechte oder die Selbstständigkeit der Türkei oder deren Unabhängigkeit als Großmacht anzutasten. Die dorthin übermittelten Bedingungen sind auch nicht von Exzellenz Helfferich formuliert gewesen. pp.