1916-01-26-DE-005
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Quelle: DE/PA-AA/R 20196
Zentraljournal: 1916-A.S.-296
Erste Internetveröffentlichung: 2017 Juni
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1915.06-1916.12
Telegramm-Abgang: 01/26/1916 07:30 AM
Telegramm-Ankunft: 01/26/1915 02:30 PM
Praesentatsdatum: 01/26/1916 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 126
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Gesandte in Bukarest (Bussche-Haddenhausen) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht


Bukarest, den 26. Januar 1916

Geheim!

In meiner heutigen Audienz habe ich dem König offen und nachdrücklichst gesagt, daß die Beziehungen zwischen Deutschland und Rumänien auf einem gefährlichen Punkt angekommen wären; sie würden nicht mehr viel Belastungsproben aushalten.

Aller Art Faktoren bei uns seien sich darüber einig, daß Bratianu keinerlei Vertrauen verdiene, und wir seien überzeugt, daß er den Augenblick abwarte, um Venizelos zu spielen und uns anzugreifen. Alles, was Bratianu tue, sei mehr oder weniger den Zentralmächten unfreundlich, ja feindlich. Der englische Getreidekauf habe wie ein Blitz den finsteren …[Gruppe fehlt]… der Lage erhellt. Ich sagte dann anschließend dem König, ob nicht der Augenblick gekommen wäre durch eine Ergänzung des Kabinetts Bratianu oder noch besser durch eine Kabinettsänderung die drohende Gefahr abzuwenden.

Seine Majestät erwiderte mir, Er hätte sich oft diese Frage vorgelegt, da er sähe, daß Bratianu kein Vertrauen mehr bei uns geniesse und Er gern die Spannungen beseitigen möchte. Er sehe, wie er von Bratianu loskommen könnte, da die Konservativen hoffnungslos gespalten wären. Ich suggerierte Majoresco; der König meinte, derselbe würde nicht die nötigen Elemente finden, außerdem würde ein solches Ministerium im Lande als Sein, des Königs, Kabinett betrachtet werden und wenn die Sache mißlinge, befinde er sich in einer ganz üblen Lage.

Ich erwiderte, dann werde ich also nach Berlin melden müssen, daß wir weiterhin mit einem feindlichen Kabinett Bratianu zu rechnen haben. Der König sagte darauf, ganz ausgeschlossen sei ein Kabinettwechsel doch nicht, Bratianu habe Angst vor Konflikt mit uns und werde ohne Zweifel in der Getreidefrage keine Schwierigkeiten machen; das habe er ihm heute nach einer ernsten Unterredung versprochen.

Sodann entfiel dem König eine eigentümliche Äußerung. Er habe an seinen Bruder geschrieben und im Briefe angedeutet, daß es für ihn sehr peinlich sein würde, wenn er einen Kabinettswechsel unter äußerem Druck vornehmen müßte. Ob das heißen soll, daß der König einem Ultimatum entgehen und Bratianu dann ersetzen würde, möchte ich nicht mit aller Bestimmtheit sagen. Mehr war ihm nicht zu entlocken.

Die Lage im Lande hat sich gebessert, allein Er müsse energisch in Abrede stellen, daß ein Mitgehen mit uns zur Zeit möglich sei. Auf die Armee könne er auch nicht absolut rechnen, das meine auch Bratianu. Fraglos ist das Unsinn, passt aber in des Herrn Bratianu Plan, sich dem König unentbehrlich hinzustellen. Die Liberalen würden immer Bratianu zur Seite stehen und dieser halte nach wie vor unsere Niederlage aus Erschöpfung für mathematisch sicher, alle seine Versuche ihm das auszureden, seien fruchtlos gewesen.

Aus meiner anderthalb stündigen Unterredung in der ich Bratianu nicht geschont habe, schließe ich, daß wir von Bratianu bei der Getreidefrage und auch sonst zweifellos Entgegenkommen finden werden, daß der unentschlossene König aber schwer zum Kabinettwechsel zu bewegen sein wird, nur ein ganz scharfer Druck würde ihn dazu …[Gruppe verstümmelt]… können; ein sicheres günstiges Ergebnis kann ich nicht garantieren.

Ich habe dem König schließlich noch gesagt, daß, wenn Er sich doch noch, wie ich hoffte, zum Kabinettswechsel entschließen und Er wegen eines russischen Einfalls in die Moldau Befürchtungen hegen sollte, wir gewillt und in der Lage, Sein Land wirksam zu stützen. Er müsse uns aber in dem Fall seine Entschlüsse einige Wochen zuvor mitteilen und dann einen vertrauenswürdigen Offizier zum Abschluß einer Militärkonvention zu uns senden. Der König meinte, daß ein solcher russischer Angriff beim Kabinettswechsel nicht zu erwarten wäre.

Auf meine Frage, ob eine deutsche Offensive gegen Kiew und Odessa Rumänien mitreissen würde, meinte der König, daß diese einen großen Eindruck machen würde; mehr könnte er nicht sagen.

Zum Schluß darf ich bemerken, daß unser Vertrauensmann Batzaria mir eben sagte, man sei hier sehr verschüchtert und fürchte eine sommation unsererseits; er rate dies erst nach der Vertreibung der Verbündeten von Salonik zu machen, dann glaube er, daß Rumänien mit uns gehen würde.


[Bussche]



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