1913-09-23-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R 14081
Zentraljournal: 1913-A-19451
Erste Internetveröffentlichung: 2017 November
Edition: Armenische Reformen
Praesentatsdatum: 09/27/1913 p.m.
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Vorsitzende der deutschen Orient-Mission (Johannes Lepsius) an den Unterstaatssekretär des Auswärtigen Amts (Zimmermann)

Privatschreiben


Potsdam, den 23. 9. 13.

Hochverehrter Herr Unterstaatssekretär,

Nach einem kurzen Aufenthalt im Thüringer Wald bin ich hierher zurückgekehrt. Mein erstes Anliegen ist, Ihnen meinen herzlichen Dank auszusprechen für die wertvollen Stunden, die Sie mir in Salzschlirf geschenkt haben. Ich werde Ihnen Ende der Woche meine Berichte über die armenische Angelegenheit und über die Frage der deutschen Schulen und der Ausbreitung der deutschen Sprache in der Türkei zugehen lassen.

Inzwischen erhielt ich die beifolgenden Mitteilungen, in denen ich nur einen Punkt zu berichtigen habe. Ich habe selbst Herrn Mandelstamm keinerlei "Zugeständnisse" deutscherseits mitgeteilt und hatte auch keinen Auftrag dazu. Ich habe lediglich in einem Gespräch mit Herrn Mandelstamm die russischen Wünsche und die Zugeständnisse, die man russischerseits zu machen geneigt wäre, in Erfahrung zu bringen gesucht.

Eine Wendung der Verhandlungen in der Richtung, dass versucht würde, die Sache der armenischen Reformen wieder nur als eine innere Angelegenheit der Türkei zu behandeln und die Armenier an die Türken zu verweisen, würde ich nicht für glücklich halten. Sie würde die Armenier unweigerlich in das russische Lager treiben und nur dahin führen, dass die Triple-Entente über den Kopf des Dreibundes hinweg die Reformfrage im Gegensatz zu den deutschen Interessen mit der Pforte ordnen würde. Deutschland ist noch in der Lage durch ein energisches Eintreten für die Reformen, unter Verständigung mit Russland und Wahrung seiner eigenen Interessen, die Sympathieen der Armenier, die durchaus nach der deutschen Seite neigen und nur in der Not die Hand Russlands ergreifen würden, auf seine Seite zu ziehen. Auch die Gewinnung des armenischen Schulsystems für die deutsche Sprache setzt voraus, dass die natürliche Tendenz der türkischen Armenier sich an Deutschland anzuschliessen, nicht zurückgestossen wird.

Mit ausgezeichneter Hochachtung

Ihr ergebener


Dr. Johannes Lepsius
Anlage

Briefauszüge betreffend den Gang der Verhandlungen über die Frage der armenischen Reformen.

Herr Papasian (Sekretär des armenischen Patriarchats in Konstantinopel) schreibt unter dem 22/4. September aus Konstantinopel an das deutsch-armenische Komitee in Berlin:

"In den letzten Tagen haben Talat-Bey und Andere Annäherung an unsere Kreise gesucht und zu verhandeln versucht, offenbar auf Veranlassung des deutschen Botschafters, welcher unsere Sache zu einer armenisch-türkischen Angelegenheit zu machen bestrebt ist. Vorgestern kam Talat-Bey zu (dem früheren Abgeordneten) Zohrab zum Essen und es wurde bei der Gelegenheit die armenische Frage aufgeworfen und viel hin- und her gesprochen. Talat-Bey, von den ausweichenden Antworten der Unsrigen wenig befriedigt, sprach den Wunsch aus, wieder zusammen zu kommen, und verlangte, dass die Armenier ihre konkreten Forderungen mitteilen sollten.

Zu der gleichen Zeit teilte Dr. Schönberg, der deutsche Dragoman, im Auftrage seines Botschafters dem russischen Dragoman Mandelstamm mit, dass der deutsche Botschafter keine Konzessionen machen würde und dass die durch Dr. Lepsius und ihn (Schönberg) in Aussicht gestellten Zugeständnisse nur deren (d.h. Dr. Lepsius' und Dr. Schönbergs) persönliche Meinung zum Ausdruck brachten. So hat denn der Deutsche Botschafter auf diese Weise alle bisherigen Zugeständnisse rückgängig gemacht."

Unter dem 4/17. September schreibt das Patriarchat:

"In den nächsten Tagen wird der deutsche Botschafter über das Gespräch, dass er vor einigen Tagen mit uns gehabt hat, nach Berlin berichten und unsere Forderungen mitteilen, um neue Instruktionen zu erbitten. Wir hoffen, dass es unserem verehrten Freund, Dr. Lepsius, gelingen wird, die dortigen Stellen für uns günstig zu stimmen.

Die Lage ist sonst unverändert. Die russische Botschaft entfaltet fieberhafte Tätigkeit. In 5 - 6 Tagen können wir Bestimmteres mitteilen.



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