1913-10-28-DE-002
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Quelle: DE/PA-AA/R 14082
Zentraljournal: 1913-A-21584
Erste Internetveröffentlichung: 2017 November
Edition: Armenische Reformen
Telegramm-Abgang: 10/28/1913 06:58 PM
Telegramm-Ankunft: 10/28/1913 08:19 PM
Praesentatsdatum: 10/29/1913 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 278
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


Der Geschäftsträger der Botschaft St. Petersburg (Lucius von Stoedten) an das Auswärtige Amt

Telegraphischer Bericht


St. Petersburg, den 28. Oktober 1913

Herr Sazonow wiederholte mir seine im heutigen Interview mitgeteilten Äußerungen, betreffend den ausgezeichneten Eindruck, der er aus seinen Unterhaltungen mit Euerer Exzellenz und dem Herrn Unterstaatssekretär erhalten habe. Obgleich er Euerer Exzellenz seine Ansichten über alle Fragen offen dargelegt hätte, bäte er mich doch Folgendes zu melden:

Die österreichische Politik der Überraschungen mache ihm fortgesetzt ernste Sogen. Solange Österreich uns frage, bevor es einen schwerwiegenden Entschluß fasse, sei er vollkommen beruhigt. Hierfür sei aber leider keinerlei Sicherheit vorhanden, wie erst der letzte Vorgang gezeigt habe. Österreich stelle seine Alliierten stets vor ein fait accompli; dieselben seien dann gezwungen "de faire l'honneur à leur signature". Man stände bei der "neurastehnischen Politik" des Grafen Berchtolt beständig vor dem "Unbekannten". Darin sehe er eine große Gefahr. Als ich Minister fragte, worin er jetzt, nach Erledigung der Räumungsfrage von Albanien noch österreichisch-serbische Schwierigkeiten erblicke erwiderte er: "in der Eisenbahnfrage".

Betreffend die deutsch-russischen Abmachungen über Armenien komme es jetzt darauf an, die türkische Zustimmung hierzu möglichst bald und zwar vor dem Frühjahr zu erhalten, sonst würden sicher Unruhen ausbrechen. Rußland denke bekanntlich nicht daran, armenisches Gebiet zu okkupieren, woraus bloß Verlegenheiten entstehen würden.

Über Frankreich, das für Rußland kein unbequemer Alliierter sei, sagte Sazonow, er garantiert uns, und habe sich Euerer Exzellenz gegenüber so ausgesprochen, daß keine der maßgebenden Persönlichkeiten an Krieg mit Deutschland denken.

Herr Delcassé würde vermutlich nicht mehr lange hier bleiben, was Minister bedauerte.

Herr Sazonow hatte mit serbischen Gesandten schon gestern Unterredung und empfing denselben auch heute. Ich fand Minister, der trotz guten Aussehens über seine Gesundheit (Nieren) klagte, wegen Österreich unruhig und überhaupt nervös.


[Lucius]



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