1915-10-26-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R14088
Zentraljournal: 1915-A-31729
Erste Internetveröffentlichung: 2003 April
Edition: Genozid 1915/16
Praesentatsdatum: 11/02/1915 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 634
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/29/2012


Der Geschäftsträger der Botschaft Konstantinopel (Neurath) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht



Nr. 634
Pera, den 26. Oktober 1915.

Auf Erlaß Nr. 773 1 vom 15. 10. 15 und im Anschluß an meine telegraphische Meldung.

Der Widerstand, den die Türkische Regierung bei ihrem Plane, mit ausschließlicher Hilfe Deutschlands alle Teile der Staatsverwaltung zu reorganisieren, innerhalb des eigenen Lagers zu bekämpfen hat, gründet sich gerade auch auf den Verdacht, daß Deutschland sich ebenso wie früher die Mächte des Vierverbands und wie die Vereinigten Staaten bei seiner künftigen Politik in der Türkei, statt auf die Türken, auf eines der Fremdvölker stützen könnte. Allerdings stellt der Ausfall der Armenier als Vermittler des europäischen Handels auch für uns einen Verlust dar. Das Vertrauen der Türken ist aber für uns zu wichtig, um es durch den Versuch, den Armeniern ihre alte Rolle wiederzuverschaffen, zu gefährden.

Der Hülfsbund für christliches Liebeswerk im Orient, die deutsche Orientmission, die deutsch-armenische Gesellschaft und die Kaiserswerther Diakonissen haben ihre Tätigkeit niemals zu politischer und kommerzieller Propaganda ausgenutzt. Sie wollten, wie der bezeichnende Ausdruck lautet, „dem armenischen Volke dienen“. Sie haben dafür viele hunderttausende von Mark ausgegeben und viel selbstlose Arbeit geleistet, für die sich in der Heimat oder für die im Ausland ansässigen Deutschen bessere Verwendung gefunden hätte. Dank haben sie sich damit nur wenig verdient. Bei Beginn des Weltkrieges haben die türkischen Armenier sofort gegen Deutschland Partei genommen; sie waren hier lange vor Beginn der Armenierverfolgungen die Träger der uns feindlichen Agitation.

Die entsetzliche Not, die durch diese Verfolgungen entstanden ist, könnte nur mit Aufwand vieler Millionen gelindert werden. Die Türkische Regierung hat bis jetzt jede Hilfsaktion abgelehnt. Inwieweit sie sich später doch darauf einlassen wird, steht dahin. Vermutlich wird die ganze Welt zur Mitwirkung aufgerufen werden, wenn auch die im Ausland lebenden reichen Armenier selbst sich wahrscheinlich sparsam zurückhalten werden.

Die deutschen Vereinigungen beabsichtigen sicher, sobald sie nicht mehr durch die Militärzensur beengt sind, eine rege Agitation zu entfalten und würden zweifellos in Deutschland milde Seelen finden, die große Summen für das Armeniervolk hingeben. Durch eine solche Aktion großen Maßstabes würde der Argwohn der Türken wachgerufen und überdies reiche Mittel ohne Nutzen für uns verschwendet werden.

Eine Unterdrückung der deutschen proarmenischen Vereine kommt natürlich nicht in Frage. Mit Rücksicht auf die Art, wie unsere Feinde die türkische Armenierpolitik gegen uns ausgebeutet haben, muß es uns sogar erwünscht sein, daß, sobald es die Verhältnisse gestatten, von deutscher privater Seite eine Hilfstätigkeit zu Gunsten der Armenier einsetzt. Nur dürfte diese Hilfstätigkeit keinesfalls über den Rahmen dessen hinausgehen, was vor dem Kriege geschehen ist. Auch müßte die Kaiserliche Regierung bei der Unterstützung der Bestrebungen der Vereine die größte Zurückhaltung beobachten.

Ich möchte mir den Vorschlag gestatten, unter der Hand und durch geeignete Verwaltungsmaßnahmen dahin zu wirken, daß die Sammlungen für die Armenier in Deutschland keinen zu großen Umfang annehmen.


Neurath

Anmerkung Rosenberg


Mit Dr. Jäckh und Herrn Erzberger wird gelegentlich im vorgeschlagenen Sinne gesprochen werden.


1A 29546 [nur für den Brief Schuchardts, A-Nr. des Erlasses: 30744 und 31729].



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