1916-09-27-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R14093
Erste Internetveröffentlichung: 2003 April
Edition: Genozid 1915/16
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Aufzeichnung des Legationsrats im Auswärtigen Amt Rosenberg





Berlin, den 27. September 1916
Aufzeichnung über die Armenierfrage.1

Als die Pforte im Herbst 1914 an der Seite der Zentralmächte in den Krieg eintrat, war die Lage der armenischen Bevölkerung in der Türkei verhältnismäßig günstig. Die Armenier hatten an der Seite der Jungtürken gegen das hamidische Regime gekämpft und ihre umfangreiche Revolutionsorganisation in dem Dienst der gemeinsamen Sache gestellt. Die jungtürkische Regierung war ihnen daher nicht unfreundlich gesinnt. Andrerseits machte uns die durch langjährige Erfahrungen bestätigte Tatsache besorgt, daß ein beträchtlicher Teil der türkischen Armenier mit seinen Sympathien zu den Westmächten und besonders zu Rußland hinneigte, das im letzten Jahrzehnt vor dem Kriege mehr und mehr versucht hatte, sich durch Vermittelung der russischen Armenier Einfluß auf ihre türkischen Stammesbrüder zu sichern, um zu eigennützigen politischen Zwecken nachdrücklich in der Rolle des Armenierbeschützers in der Türkei auftreten zu können. Von Rußland wurden die türkischen Armenier zur Stellung ihrer nationalen Forderungen aufgereizt und bei Rußland fanden sie in erster Linie die nötige Unterstützung gegenüber der türkischen Regierung. Daß die Türken bei dieser Sachlage den Armeniern von vornherein ein gewisses Mißtrauen entgegenbrachten, ist verständlich. Die Berichte, die der Kaiserlichen Regierung im Spätherbst 1914 von ihren Vertretungen in der Türkei über die Haltung der türkischen Armenier zugingen, mußten die Besorgnisse über die Entwicklung der Dinge vertiefen: So berichtete der Kaiserliche Konsul Aleppo schon im Oktober 1914, daß die Einstellung der armenischen Dienstpflichtigen in Zeitun und Umgebung auf Widerstand stoße und daß dort scharfe Antipathie gegen Deutschland herrsche, die durch den französischen Vizekonsul genährt werde. Über russenfreundliche und deutschfeindliche Haltung der Armenier weiß auch der Kaiserliche Vertreter in Trapezunt im November 1914 zu berichten. Kurz vor Jahresschluß kommt es infolge der russenfreundlichen Haltung der Armenier in Erzerum zu den ersten lokalen Ausschreitungen gegen den armenischen Volksteil. Der Kaiserliche Botschafter rät nach Bekanntwerden des Vorfalls der türkischen Regierung dringend, die Wiederholung derartiger Ausschreitungen zu verhindern. Alle diese besorgniserregenden Umstände gaben dem Auswärtigen Amte Anfang 1915 Veranlassung, den armenischen Patriarchen in Constantinopel durch den damaligen Kaiserlichen Botschafter Freiherrn von Wangeheim in mehrfachen vertauensvollen Unterredungen eindringlich darauf hinweisen zu lassen, daß jetzt die Stunde gekommen sei, wo die Armenier die oft beteuerte Loyalität gegen den türkischen Staat beweisen und sich die Grundlage einer gesicherten Zukunft schaffen könnten. Im Einverständnis und mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes entsandte zur gleichen Zeit die Deutsch-armenische Gesellschaft einen armenischen Vertrauensmann mit dem Auftrage nach der Türkei, bei dem armenischen Patriarchen und den politischen Führern der Armenier in Constantinopel darauf hinzuweisen, “daß das armenische Volk im engen Anschluß an die Türkei seine nationale Kraft für den Sieg der ottomanischen Waffen einsetze und in weiser Erkenntnis seiner eigenen Interessen die türkische Regierung in der Durchführung aller Maßregeln und kriegerischen Operationen in den von Armeniern bewohnten Provinzen nach Kräften unterstütze.” Bei der Ausführung dieses Auftrags wurde der Vertrauensmann vom Auswärtigen Amte und von den Kaiserlichen Vertretungen in der Türkei in jeder Weise unterstützt. Das Gold und die Hetzarbeit unserer Feinde sind daran schuld, daß die Armenier unseren wohlgemeinten Rat in den Wind schlugen und selbst das Unwetter entfesselten, unter dem ihr Volk so entsetzlich leiden sollte.

Nach dem übereinstimmenden Urteil unserer Vertreter hat sich die türkische Regierung während der ersten Monate des Krieges dem armenischen Element gegenüber durchaus korrekt benommen, trotzdem Rußland mit Ausbruch des Krieges seine Agitation im türkischen Armenien vervielfältigte, Waffen lieferte, Spione anwarb und Bestechungsgelder im Überfluß verteilte. Neue Nahrung erhielt das berechtigte Mißtrauen der Pforte durch das Verhalten der im Ausland lebenden Armenier, die in den feindlichen und neutralen Ländern und deren Presse eine eifrige Propaganda gegen die Türkei betrieben und ihre Stammesgenossen zum Aufstand aufforderten. Mit dem Monat März 1915 begann die Haltung der Armenier Grund zu ernster Besorgnis zu geben; Klagen über Fahnenflucht und Übergang zahlreicher Armenier zu den Russen wurden immer häufiger. Unter dem dritten März berichtete der Kaiserliche Konsul in Erzerum über Aufstandsbewegungen und bewaffnetes Vorgehen der Armenier gegen Militär und Gendarmerie in der Gegend von Bitlis. Fast gleichzeitig kam es in Zeitun zu einem ernsten Zwischenfall. In diesem fast ausschließlich von Armeniern bewohnten Gebirgsstädtchen Südarmeniens hatte sich im März 1915 ein Trupp armenischer Deserteure verschanzt und der ihn verfolgenden türkischen Gendarmerie verzweifelten Widerstand geleistet. Der Vorfall von Zeitun blieb nicht vereinzelt. Im Anschluß daran kam es in mehreren Städten dieser Provinz so in Marasch und Dörtjol zu ähnlichen Ausschreitungen, die dazu führten, daß hier mit der Evakuierung der schwer kompromittierten armenischen Bevölkerung begonnen wurde.

Diese Maßnahmen beschränkten sich zunächst auf ein verhältnismäßig kleines Gebiet und hatten mehr lokalen Charakter.

Einen verhängnisvollen Lauf nahmen die Dinge im nächsten Monat, April 1915, als in Hocharmenien in Wan im Rücken der gegen Aserbeidschan marschierenden türkischen Armee ein allgemeiner armenischer Aufstand losbrach, dem in wenigen Tagen viele hunderte von Muhammedanern zum Opfer fielen. Trotz Heranziehung starker Truppenmassen gelang es der Regierung zuerst nicht, der Aufständischen Herr zu werden. Die Lage war um so bedenklicher als russische Truppen im Anmarsch auf die in der Hand der Rebellen befindliche Stadt waren und mit Sicherheit zu erwarten stand, daß die Aufrührer die Feinde als Befreier empfangen und ihnen die Stadt in die Hand spielen würden. Dies geschah in der Tat, als am 19. Mai, also nach einem etwa einmonatlichem Kampf um die Stadt, russische Armenierscharen türkisch-armenische Überläufer und russische Vortruppen vor Wan erschienen.

Angesichts aller dieser Tatsachen und unter Berücksichtigung der damaligen kritischen Lage der Türkei - die Dardanellenkämpfe standen auf dem Höhepunkt - mußte die türkische Regierung mit allen Mitteln die bedrohte Sicherheit im Innern des Landes wiederherstellen. Die harte, aber militärisch verständliche Maßregel der Aussiedelung der armenischen Bevölkerung aus den als Operations- oder Etappengebiet vom Krieg berührten Gegenden wurde Ende Mai 1915 beschlossen. In den Sommermonaten des Jahres 1915 wurden die Aussiedelungsmaßnahmen nach und nach auf die Mehrzahl der von Armeniern bewohnten Gebiete des türkischen Reichs ausgedehnt. Ende Oktober 1915 hatte die Verschickung die armenische Bevölkerung nahezu ganz Anatoliens bis nahe an die Tore der Hauptstadt und Smyrnas ergriffen. Während zu Anfang der Verschickung noch näher gelegene Punkte Syriens wie Hama, Bab, Damaskus, als Reiseziel angegeben wurden, kamen seit Anfang Oktober nur die Punkte Rakka und Der-el-Sor am Euphrat sowie der westliche Hauran und schließlich Ras-ul-ain und Mossul in Frage.

Fern von den militärisch bedrohten Grenzen sollten den Armeniern neue Wohnsitze angewiesen werden. Daß die Durchführung der Umsiedelungsmaßregeln zur Vernichtung eines großen Teils der armenischen Bevölkerung führen sollte, haben die türkischen Machthaber ursprünglich sicher weder gewollt, noch vorausgesehen. Die beklagenswerte Entwickelung, welche nun die Dinge nahmen, erscheint bis zu einem gewissen Grade begreiflich, wenn man einerseits die nicht unberechtigte Empörung der muhammedanischen Bevölkerung andererseits die Primitivität der inneren türkischen Verhältnisse und den geringen Einfluß in Rechnung zieht, den die Zentralverwaltung in Konstantinopel in den ferner liegenden Provinzen auszuüben vermag. Für eine derartige Bevölkerungsverschiebung großen Stils, die selbst im Frieden jahrelange Vorbereitungen erfordert hätte, war natürlich nichts vorgesehen. Es mangelte an allem, an einer geeigneten einheitlichen Organisation, an Straßen, an Transportmitteln, an Geld und vor allem an Nahrungsmitteln. Die durch den Krieg aufgepeitschten niederen Instinkte, die alten Rassen- und Religionsgegensätze taten ein übriges. Daß der nicht mehr zu hemmende Lauf der Dinge manchem der jungtürkischen Machthaber nachträglich als eine radikale Lösung der armenischen Frage nicht unerwünscht schien, ist leider nicht unwahrscheinlich. Es wäre nicht dazu gekommen, wenn nicht die Armenier selbst dazu eine Handhabe gegeben hätten. Die moralische Schuld an den Vorkommnissen trifft neben den Armeniern selbst deren Anstifter in London, Petersburg und Paris. Bezeichnend ist ein Artikel des “Daily Chronicle” vom 23. September 1915, der “Our seventh Ally” überschrieben ist und lobend anerkennt, daß das armenische Volk von Anfang des Krieges an die Sache der Entente zu der Seinen gemacht, von Anfang an ohne Markten noch Feilschen an der Seite der Entente gefochten und dadurch sich das Anrecht erworben habe, als siebenter Bundesgenosse betrachtet zu werden.

Das Auswärtige Amt und die Kaiserlichen Vertretungen in der Türkei haben von Beginn der armenischen Krise an alles mit diplomatischen Mitteln Mögliche getan, um das Los der Armenier zu mildern. Die Kaiserliche Regierung ist, was der Öffentlichkeit nicht bekannt ist und vorläufig auch nicht bekannt werden darf, bei ihrem Druck auf die türkische Regierung bis zur äußersten Grenze gegangen. Zur Kündigung des Bündnisverhälnisses wegen der armenischen Frage hielt und hält sich die Kaiserliche Regierung nicht für berechtigt. Denn so bedauerlich es vom christlichen und allgemein menschlichen Standpunkt ist, daß unter dem türkischen Vorgehen mit den Schuldigen auch hunderttausende Unschuldiger zu Grunde gehen, näher als die Armenier stehen der deutschen Regierung die Söhne Deutschlands, deren opferreicher blutiger Kampf im Westen, Osten und Süden durch die Waffenhilfe des türkischen Bundesgenossen wesentlich erleichtert wird. Die Verantwortung dafür, durch den Bruch mit der Türkei über die Armenierfrage die Südostflanke unserer Weltkampstellung zu entblößen, könnte keine deutsche Regierung tragen und zwar um so weniger, als die Armenier selbst durch einen solchen Schritt nicht etwa vor weiteren Verfolgungen bewahrt, sondern erst recht der türkischen Rache ausgeliefert worden wären.


Anlage 1

Haltung der Kaiserlichen Regierung in der armenischen Frage.


Oktober 1914. Bericht Konsulats Aleppo über feindliche Haltung der Armenier in Zeitun.

November 1914. Bericht Konsulats Trapezunt über russenfreundliche Haltung dortiger Armenier.

Dezember 1914. Vom AA. und Botschaft unterstützte Mission des Dr. Liparit Nasariantz nach Cospoli zwecks Beeinflussung des armenischen Patriarchen und der armenischen Führer. Fühlungnahme der Botschaft mit Patriarch, Botschaft wird bei Pforte vorstellig anlässlich Ausschreitungen gegen Armenier in Erzerum.

Februar 1915. Vertreter der russischen Armenier Papadzanow erklärt in Duma, dass die türkischen Armenier die Russen als Befreier begrüssen. “Russkoje Slowo” zugesteht, dass die türkischen Armenier an ihrem Lande Verrat geübt und Strafe verdient.

Armenischer Patriarch dankt dem Botschafter für wohlwollende Haltung Deutschlands gegenüber Armenier. Botschafter erklärt, dass sich Deutschland nach wie vor der Verbesserung der Lage der Armenier annehmen werde.

März 1915. Armenische Putsche in Cilicien (Zeitun).

April 1915. Amerikanische Zeugen anerkennen, dass durch Eingreifen Konsul Rössler’s grössere Ausschreitungen gegen Armenier in Marasch verhindert.

Botschafter bemüht sich wiederholt, auf Patriarchen und Pforte im Sinne versöhnlicher Politik und Erhaltung guter Beziehungen einzuwirken.

April 1915. Allgemeiner Aufstand im Wangebiet.

Mai 1915. Botschafter wird vorstellig im Interesse mit Deportation bedrohter Armenier in Erzerum und in Vilajet Adana.

Er meldet, dass armenische Bewegung besorgniserregenden Charakter annehme. Wühlarbeit von Russland genährt nehme Dimensionen an, die Bestand der Türkei in Frage stellen.

Pforte beschliesst die Aussiedelung der Armenier.

Juni 1915. Botschafter “tut sein möglichstes, um zu rigorose Massnahme der Türken zu mildern”.

AA. erwirkt durch Botschaft Erlaubnis zur Reise Lepsius nach Constantinopel um auf Armenier einzuwirken. Telegraphische Intervention des Amts für zum Tode verurteilte armenische Führer.

Allgemeine Verschickung der Armenier aus Trapezunt, Samsun und Siwas beginnt. Konsul Trapezunt erhält Weisung beim Wali im Interesse menschlicher Durchführung der Deportation vorstellig zu werden.

Juli 1915. Da bisherige Schritte wesentliche Besserung der Verhältnisse nicht herbeigeführt, überreicht Botschafter am 4.VII. anliegendes Memorandum.2

Anlässlich von Ausschreitungen in Diarbekir wiederholt er seine Vorstellungen in dringender Form.

August 1915. Infolge neuer ungünstiger Nachrichten über Verlauf der Umsiedelung protestiert Botschafter Fürst Hohenlohe mit anliegendem Memorandum vom 11.VIII.3 erneut gegen die Art der Verschickung.

Ende des Monats werden die Vorstellungen beim Grosswesier in dringender Form erneut. Die Pforte erklärt darauf, die Massnahmen gegen die Armenier würden eingestellt.

September 1915. Die Pforte erlässt telegraphische Weisungen an die Provinzialbehörden zwecks Milderung der Deportationsmassregeln und Beendigung der Ausschreitungen.

Das AA. interveniert telegraphisch für Anstalten und Waisenhäuser des deutschen Hülfsbundes in Marasch, Harunije und Mamuret. Anlässlich der Ausschreitungen in Djeziré wird Botschaft auf Weisung des Amts erneut in entschiedenster Form bei Pforte für mildere Behandlung der Armenier vorstellig.

Botschaft meldet, dass die Weisungen der türkischen Regierung an die Provinzialbehörden infolge deren Willkür zum grössten Teil ihren Zweck verfehlten.

Oktober 1915. Dem türkischen Botschaftsrat in Berlin werden eindringlich alle Argumente für schonende Behandlung der Armenier vor Augen geführt.

Amerikanischer Botschafter in Cospoli erklärt wiederholt, dass deutscherseits alles geschehen sei, um türkische Regierung von Vorgehen gegen unschuldigen Teil der Armenier abzubringen und Ausschreitungen zu verhüten. Aus Berichten der amerikanischen Konsuln sei ihm bekannt, dass die deutschen Konsuln stets und überall sich der unglücklichen Armenier angenommen hätten.

November 1915. Brief der Aleppiner Lehrer Niepage, Gräter und Huber veranlasst das AA., die Botschaft erneut zu energischen Vorstellungen bei der Pforte zu beauftragen.

Der Botschafter warnt gleichzeitig aus eigner Initiative die Pforte vor geplanter Verschickung der Armenier aus Cospoli.

Erlass des H.R.K. an den Botschafter anlässlich der Eingabe protestantischer und katholischer Kreise Deutschlands, bei “jeder sich bietenden Gelegenheit mit allem Nachdruck zugunsten der Armenier einzutreten”. Botschafter Graf Metternich hat darauf “sehr ernste” Besprechungen mit Halil Bey, Enver Pascha und Djemal Pascha.

Das AA. interveniert telegraphisch zugunsten armenischer Benediktiner, die sich nach Wien zurückziehen wollen.

December 1915. Der Botschafter erhält telegraphisch Weisung bei der Pforte gegen geplante Austreibung der Armenier aus der Hauptstadt nachdrückliche Vorstellungen zu erheben.

Kurz darauf wird der Botschafter erneut beauftragt, gegen gemeldete gewaltsame Bekehrungen von Armeniern zum Islam schärfsten Protest einzulegen. Deutschland könne derartigem Vorgehen nicht ruhig zusehen.

Botschafter hat darauf sehr ernste Besprechungen mit dem Grosswesier, der die den Armeniern zu Teil gewordene Behandlung missbilligt, und kurz darauf mit dem von Inspektionsreise nach Anatolien zurückgekehrten Minister des Innern Talaat Bey, der behauptet, umfassende Massnahmen zur Ernährung und zum Schutz der Armenier getroffen zu haben.

Graf Metternich hört von verschiedenen Seiten, dass seine ersten Ermahnungen nicht ohne Eindruck auf die türkischen Machthaber geblieben.

Januar 1916. Auf Meldung des Konsulats Aleppo über neue Verschickungen aus Aintab wird der Botschafter bei Halil Bey vorstellig, der erklärt, dass es sich nur um wenige Einzelfälle handele.

Die Botschaft bewilligt grössere Summen für das Armenierhilfswerk des Konsulats Aleppo und vermittelt zwischen diesem und der schweizerischen Hilfsorganisation.

Februar 1916. Im Einverständnis mit dem AA. und der Botschaft und gestützt auf amtliches Material sucht ein in Pera anwesender deutscher Reichstagsabgeordneter auf Enver und Talaat zu Gunsten der Armenier einzuwirken. Beide versprechen Besserung der Verhältnisse.

Das AA. lässt dem Schweizerischen Hilfswerk für Armenier vertraulich mitteilen, dass die Kaiserl. Regierung bereit ist, seine Bestrebungen unter der Hand zu unterstützen.

März 1916. Auf Veranlassung deutscher Armenierfreunde (Lepsius pp.) interveniert das AA. telegraphisch in Pera zu Gunsten des armenischen Führers Agnuni und Genossen, die zur Aburteilung nach der Hauptstadt geschafft.

Botschaft erhebt erneute Vorstellungen bei Halil Bey und Talaat Bey, die Besserung zusagen.

März 1916. Konsul Damaskus versucht, die armenische Hilfsaktion des American Bible House mit Rat und Tat zu unterstützen. Djemal Pascha erklärt sich auf seine Intervention bereit, Gelder für die Armenier unter Kontrolle des Konsulats verteilen zu lassen.

April 1916. Auf Veranlassung des AA.’s tritt die Botschaft für die von der Deutschen Orient-Mission geplante Hilfsexpedition nachdrücklich bei der Pforte ein. Diese lehnt mit der Begründung ab, dass sie keine fremde Hülfsaktion für die Armenier zulassen könne.

Juni 1916. Auf Grund eines vom AA. nach Pera mitgeteilten Briefes eines deutschen Abgeordneten an den Herrn R.K. über Bedrückung katholischer Armenier erhebt Botschafter energische Vorstellungen bei der Pforte und erwirkt Erlass eines Gegenbefehls.

Im Spätfrühjahr wiederauflebende Verschickung veranlasst Graf Metternich, nochmals durch oft wiederholte Vorstellungen zu versuchen, die türkische Regierung zur Aenderung ihres Verhaltens gegen die Armenier zu bewegen. Ein dauernder Erfolg wird jedoch nicht erzielt.

Juli 1916. Ueber die Gründe des Misserfolges seiner vielfachen angestrengten Bemühungen berichtet Graf Metternich im anliegenden Bericht vom 10.VII.16.4

August 1916. Ein Vertrauensmann des Schweizerischen Hilfswerkes wird im AA. empfangen und ihm weitgehende inoffizielle Unterstützung seiner Bemühungen zugesagt.

September 1916. Das AA. anregt ganz vertraulich beim Vatikan die Bildung eines armenischen Hilfskomitee’s unter der Aegide des Papstes.

Ein Bericht Konsulats Aleppo über neue Verschickungen und gewaltsame Islambekehrungen gibt dem H. U. St. S. des AA.’s Veranlassung die Armenierfrage mit dem hier anwesenden türkischen Minister Halil Bey in ernstester Weise zu besprechen.

Aus der Türkei zurückgekehrte deutsche Offiziere erklären, dass es ihnen sehr schmerzlich war, den türkischen Ausschreitungen mit gebundenen Händen zusehen zu müssen, dass sie gemildert hätten, wo immer sich eine Gelegenheit bot, dass sie ihr Dienstverhältnis zur Türkei jedoch an energischem Durchgreifen leider gehindert habe.

Eine von privater Seite begonnene Sammlung zu Gunsten der Armenier wird vom AA. unter der Hand unterstützt.


[Notiz Rosenberg 16.9.]


bitte mir gelegentlich drei oder vier von den interessantesten, allgemeiner gehaltenen Berichten heraussuchen zu wollen, die Graf Metternich5 von Konstantinopel aus erstattet hat.

Eventuell stehe ich zur gefl. Rückspr. gern zur Verfügung.


1Notiz Rosenberg: Sr. Exz.. dem Herrn U. St. für den Reichstag gef. vorg. p.n. Der Kommission dürfte vor Beginn der Ausführungen strengste Geheimhaltung zur Pflicht zu machen sein.
2Anlage in Dok. 1915-07-07-DE-001.
3 Anlage in Dok. 1915-08-12-DE-001, das allerdings am 9. (und nicht 11.) August überreicht worden ist.
4Die Anlage befindet sich nicht bei der Aufzeichnung. Es handelt sich um das Dok. 1916-07-10-DE-001.
5Nov. 1915 - 4.10. 1916.



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