1919-07-13-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R14106
Zentraljournal: 1919-A-20906
Erste Internetveröffentlichung: 2003 April
Edition: Genozid 1915/16
Praesentatsdatum: 07/26/1919 p.m.
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Johannes Lepsius an den Legationsrat im Auswärtigen Amt Göppert

Schreiben



Den Haag, den 13. Juli 1919.
Nassau Zuilensteinstr. 3

Verehrter Herr Geheimrat!

Ihr Schreiben vom 28. Juni veranlasste mich festzustellen, wie weit der Versand von “Deutschland und Armenien” bereits gediehen ist. Die Rezensionsexemplare für die Presse sind schon vor vier Wochen versandt worden. Ich selbst habe an die wichtigsten Adressen, Armenische Delegation in Paris, Genfer Comité, Anglo-armenisches Comité (Lord Bryce), Baseler Comité, Exemplare mit persönlichen Schreiben versandt und zunächst darauf gesehen, dass die massgebenden Kreise sich wegen der weiteren Verwertung zum Zwecke internationaler Verständigung und Versöhnung mit mir in Verbindung setzen konnten. Dem gemäss wird von diesen Zentren aus, die ich um Adressenmaterial gebeten habe, das ich selbst nachprüfe, die Versendung weiter fortgesetzt. Ich werde Ihnen, wenn ich das Ganze einigermassen übersehen kann, darüber weiter berichten. Der Buchhandel ist schon Mitte vorigen Monats durch Zirkulare unterrichtet worden. Der Versand hat noch einen Aufhalt dadurch erfahren, dass es sich als notwendig herausstellte, Pappkartons für die Bände herzustellen, da beim Versand als Drucksache der Pappband mehr als erfreulich ramponiert wurde. Jedenfalls ist schon seit Wochen die ganze Maschine im Gang, und vor allem die massgebenden Leute im Ausland, Genf, Paris und London, sind im Besitz von Exemplaren. Es dürfte daher kaum einen Zweck haben, jetzt noch den Versand zu stoppen, denn der Zweck, den Sie im Auge haben, würde in keinem Fall erreicht.

Im übrigen glaube ich, dass Ihre Befürchtungen unbegründet sind. Der allgemeine Eindruck der Publikation geht, wie ich mich überzeugt habe, durchaus in der Richtung, die ich von vorn herein intendiert habe, Deutschland zu entlasten und eine Stimmung verständiger Auseinandersetzung zu erzeugen. Die Presseartikel, die ich sammeln lasse, bewegen sich ausnahmslos auf dieser Linie. Die Mitteilungen, die ich von Lord Bryce, von Nubar Pascha u.a. erhalten habe, sind erfreulich im Ton, verständig und bieten zu weiterer Besprechung Anlass.

Aus allem bekomme ich den bestimmten Eindruck, dass aus dem Arsenal vergifteter Waffen, mit denen der moralische Feldzug gegen Deutschland bisher bestritten worden ist, die Angriffe wegen unserer armenischen Politik verschwinden werden, denn welche Kritik man auch an der Haltung der deutschen Diplomatie, besonders Wangenheims, sonst zu üben geneigt sein könnte, die masslosen Beschuldigungen unserer Gegner dienen jetzt nur dazu, das völlig unerwartete Bild, das die amtlichen Dokumente geben, in um so günstigerem Lichte erscheinen zu lassen. Im übrigen scheint mir für den Prozess gegen die Urheber der Massakers aus den Dokumenten durchaus nichts entnommen werden zu können, was nicht längst und durch Hunderte von Zeugen anderweitig bekannt war und festgestellt werden kann, während kaum irgendwelches Material vorhanden war, das imstande gewesen wäre, die Verleumdungen gegen deutsche Beamte und Offiziere zu entlasten. Gerade in dieser Hinsicht, glaube ich, wird auch bei einer richterlichen Untersuchung das Buch die besten Dienste tun, und ich wünschte nur, dass die französische und englische Ausgabe recht bald erscheinen könnte. Ich verfolge aufmerksam alle Reaktionen und habe auch weiterhin Gelegenheit genug, um auf etwaige schiefe Urteile die nötigen Repliken folgen zu lassen.

Ich hatte bei der Auswahl der Dokumente eine grössere Anzahl von Berichten zurückgestellt, die mir durch das Ueberwiegen des Tatsächlichen das ohnehin schon umfangreiche Buch zu sehr zu belasten schienen. Konsul Rössler schrieb mir, dass er die fertigen Abschriften Ihnen zurückgelassen habe. Darf ich Sie bitten, sie mir hierher nach dem Haag zu schicken, da ich möglicherweise noch einige Wochen hier zu bleiben gedenke. Ich habe den Eindruck, dass meine Auslandkorrespondenten unbefangener schreiben, wenn ich im Haag sitze, als wenn ich in Potsdam wäre. Ich muss mein Material so vollständig wie möglich machen, um auch für weitere Auseinandersetzungen gerüstet zu sein. Lord Bryce will mir sobald als möglich auch den Schlüssel zu seiner Publikation (d.h. die fehlenden Orts- und Personennamen) senden.

Die beiliegende Scene “Jesus at the Peace Conference”1 ist noch vor der Friedensunterzeichnung hier im Haag erschienen. Ich finde allerhand Wege, um sie nach England und Amerika zu bringen. Falls Sie auch noch irgendwelche Kanäle hätten, darf ich Sie vielleicht um geeignete Adressen bitten. Mit ausgezeichneter Hochachtung und herzlichem Gruss

Ihr ergebener


Dr. Johannes Lepsius

[Antwort Göppert 26.7.]

Abschrift.

Verehrter Herr D. Lepsius,

Besten Dank für Ihren freundlichen Brief vom 13. Juli. Ich sehe wohl, dass ich mit meinen Bedenken zu spät gekommen bin, und freue mich zu hören, dass nach Ihren Beobachtungen das Buch den beabsichtigten Eindruck macht. Die grosse Arbeit, der Sie sich unterzogen haben, ist also nicht vergeblich gewesen.

Ich habe die Dokumente, die mir Herr Rössler gegeben hatte, infolge von Überhäufung mit anderer Arbeit noch nicht zu Ende durchsehen können. Es sind darunter eine ganze Anzahl von Konsulatsberichten, die für die “Frage der deutschen Schuld” bedeutungslos sind und lediglich zur Vervollständigung des Kapitels der türkischen Greuel beitragen. Ich würde es, nachdem in dem Buche “Deutschland und Armenien” unsere Verteidigung ohne Rücksicht auf die Türken geführt worden ist, für politisch nicht vertretbar halten, jetzt noch weitere Aktenstücke zu veröffentlichen, die ohne Nutzen für uns die Türken belasten. Abgesehen davon, ist ja auch schon soviel Entsetzliches bekannt, dass durch die Berichte dem Bilde kaum ein neuer Zug hinzugefügt würde. Ich hoffe also auf Ihr Einverständnis, wenn ich aus der Sammlung der Dokumente die Berichte der Konsuln, soweit sie in die erwähnte Kategorie fallen, entferne und Ihnen nur die übrigen nach dem Haag schicke.

Mit Ihrer Scene “Jesus at the Peace Conference” haben Sie mir eine grosse Freude gemacht. Ich kenne in dieser Literaturgattung seit Ulrich von Hutten nichts, das ich ihm an die Seite stellen könnte, und wenn Herr Hermann Müller die Kriegsliteratur aller Länder eingestampft sehen will, so wird er dies kleine Meisterstück jedenfalls davon ausnehmen. Ich habe die Exemplare, die sie mir geschickt haben, im Amte und bei meinen Freunden ausserhalb des Amts kursieren lassen. Überall ist man der Meinung, dass es die weiteste Verbreitung verdient und in England, Amerika und Neutralien einen gewissen Einfluss auf die Stimmung gegenüber den Diktatoren von Versailles haben könnte.

Anbei eine Liste englischer und amerikanischer Korrespondenten und Delegationsmitglieder, an die Sie die Schrift vielleicht senden könnten. Wegen Adressen für Frankreich und die Schweiz könnten Sie sich an Herrn Dr. jur Nasse, Bern, Deutsche Gesandtschaft, wenden. Ausserdem würde Herr Konsul Scholz im Auswärtigen Amt gern 20 Exemplare zur Weitergabe an hier lebende Norweger haben. Wenn Sie mir selbst etwa 30 Stück schicken könnten, so wäre ich sehr dankbar. Einen Teil davon würde ich an persönliche Bekannte nach Amerika schicken. Einige würden an die Herrnhuter gehen, damit diese sich entschliessen, ob sie eine Versendung an ihre ausländischen Freunde für zweckmässig halten. Ich darf mir vorbehalten, Ihnen später weitere Adressen anzugeben. Dafür wäre es mir wichtig zu wissen, wo die Schrift jetzt schon verbreitet ist.

Wie steht es mit einer deutschen und einer französischen Ausgabe? Ist der Text schon in beide Sprachen übersetzt? Ich nehme an, dass das köstliche Amerikanisch-Englisch der Urtext ist. Natürlich ist es wichtig, dass die Übersetzungen auch sprachlich denselben Ton treffen. Unsere Nachrichtenabteilung würde die Publikation, wenn Sie einverstanden sind, gern übernehmen. Ich denke nicht an eine Veröffentlichung in Deutschland, sondern in der Schweiz. Allenfalls könnte der deutsche Text daneben in einer deutschen Zeitschrift erscheinen.

Mit bestem Gruss in ausgezeichneter Hochachtung
ganz ergebenst

[Göppert]
Anlage

Mr. Enderis Hotel Adlon
Mr. Powers Hotel Adlon
Mr. Herrings Neue Ansbacherstr. 19a
Mr. Brown Hotel Adlon
Mr. Groat Hotel Adlon
Mr. Ford Wilmersdorf, Brandenburgischestr. 19
Mr. Andersen Wilmersdorf, Jenaischestr. 18
Mr. Price Charlottenburg, Windscheidstr. 37
Mr. Farbman Hotel Adlon
Mr. Harmer Hotel Continental
Mr. Brain Hotel Continental
General Malcolm Hotel Adlon
Mr. Hamilton Hotel Adlon
Mr. Desmond Hotel Adlon
Mr. Polak Hotel Adlon
Mr. Cyril Brown Hotel Adlon
Mr. Parke Brown Hotel Adlon
Mr. Dreher Hotel Adlon
Captain Monroe Curtiss Berlin, Wilhelmplatz 7
Mr. Dyar Hotel Kaiserhof


1Befindet sich nicht bei den Akten.



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