Über die politischen Verwicklungen, die eine Rolle in Armeniens Schicksal spielten, sagt Granville: „Rußland konnte immer wieder in Armeniern schüren, um sein Ziel zu erreichen, dies Land zu einer russischen Einflußsphäre umzugestalten. Das Ziel, das Rußland hierbei verfolgte, war das gleiche, wie bei seiner Balkanpolitik: den Ausgang zum freien Meer. Über Armenien wollte es den Busen von Alexandrette erreichen. Zumal nach dem Balkankrieg von 1912/13, der Rußland endgültig den Landweg nach Konstantinopel sperrte, hat es umso eifriger seine Pläne verfolgt, über Armenien an das Offene Meer zu gelangen. Es mußte also ein neues „Mazedonien“ in Kleinasien geschaffen werden, seitdem das europäische Mazedonien den Türken entrissen worden war. Mit russischer Unterstützung versuchte eine besoldete Kurdenbande im Frühjahr 1913 Massakers unter den Armeniern anzurichten und Minister Ssasonoff benutzte sie, um Europa gegenüber eine russische Intervention erzwingen zu können. Diese hätte bereits ein Jahr früher den europäischen Krieg entfacht. Zum Glück gelang es damals Machmed Schefket Pascha, den Aufstand niederzuwerfen; einige Wochen später wurde er ermordet. Kann man es der Türkei übelnehmen, daß sie sich nicht ohne Widerstand von Rußland zum Tode verurteilen lassen wollte? Deshalb kann man es ihr auch nicht verdenken, daß sie bei dem im Februar 1915 angefachten Aufstande der armenischen Revolutionäre, die ganz unter russischem Einfluß standen, energisch eingeschritten und ein blutiges Strafgericht hielt. Man kann es der Türkei ferner nicht verdenken, daß sie alle unsicheren Element aus dem Kriegsschauplatz wegbringen ließ. Und wenn diese Maßregel nicht ohne schreckliches Leiden für die Betroffenen durchgeführt werden konnte, so erklärt sich dies bei der Natur des Landes ohne weiteres. Hoffentlich bringt die Beseitigung des Zarentums auch dem Islam wie dem Orient überhaupt die Befreiung aus seiner Knechtschaft, die schon viel zu lange gedauert hat.“