Der Vertreter der deutschen Orient Handels und Industriegesellschaft, Teppichmanufaktur Urfa, Herr Franz Eckart, hat den in anliegender Abschrift gehorsamst beigefügten Brief vom 5. August an mich gerichtet. Dieser Brief, sowie die allgemeine Lage in Urfa hat mich veranlaßt, ein Schreiben an den Mutesarrif in Urfa zu richten, in dem ich ihm den Schutz der dortigen Deutschen für ihre Person, für ihr Personal und für die Ausübung ihrer Tätigkeit besonders empfohlen habe.
Über einen weiteren aus Adiaman abgegangenen Trupp sind mir, wie in früheren ähnlichen Fällen, genaue Mitteilungen gemacht worden. Von 696, die Adiaman verließen, sind 321 in Aleppo angekommen; 206 Männer und 57 Frauen sind getötet worden, 70 Frauen und Mädchen und 19 Knaben sind entführt worden. Über den Rest fehlen die Angaben.
Ein aus Siwas am 12. d.M. hier angekommener Trupp war 3 Monate lang unterwegs und völlig erschöpft. Gleich nach der Ankunft sind einige gestorben. Vielfach hatte man ihm unterwegs das Wasser verweigert. Am Muradsu sind sie 14 Tage lang an einer Stelle im Kreise herumgeführt worden, in der Weise, daß sie tagsüber kein Wasser hatten. Die Zahl der Verluste bei diesem Trupp ist mir nicht bekannt geworden.
Wie mir der hiesige Wali Beschir Sami Bey heute mitteilt, ist die den katholischen Armeniern gewährte Vergünstigung wieder aufgehoben worden. Alle ohne Ausnahme werden verschickt. Auf der anderen Seite hat er erklärt, daß er Ungesetzlichkeiten oder Einflüsse unverantwortlicher Stellen in seinem Wilayet nicht dulden und gegen etwaige Missetäter auf das schärfste vorgehen werde. Leider verhindert dieser gute Wille nicht solches Unglück das aus mangelnder Organisation und Vorbereitung erwächst. Es ist kein Zweifel, daß auch im Wilayet Aleppo z . B . auf dem Weg von Bab nach Membidj zahlreiche Frauen und Kinder an Erschöpfung zu Grunde gegangen sind.
Gleichen Bericht lasse ich der Kaiserlichen Botschaft zugehen.
Deutsche Orient-Handels und Industriegesellschaft M.B.H. Potsdam
Trotz meiner Vorstellungen bei dem Gouverneur bin weder ich noch meine Familie, noch jene meine Arbeiter vor weiteren Belästigungen jener Türken sicher. Sie haben erst heute morgen wieder die drei Arbeiter von ihrer Arbeit in meinem Garten vertrieben. Ich bin daher gezwungen, den Schutz meiner eigenen Regierung anzurufen.
[Fr. Eckart]
Aufzeichnungen eines Oesterreichers
In der Tscharschi verkauften selbst Soldaten Sachen dieser Transportierten. Die meisten Angekommenen wurden im Waisenhause untergebracht, wo sie für Nahrung selbst zu sorgen hatten. Militärposten hielten ringsum Wache. Ich bemerkte, wie ein gieriger Händler mit gekauften Kleidern über die Gartenmauer sprang und dem Posten das Bestechungsgeld offen in die Hand zählte.
Durch Trinkgeld, Kauf oder Freundschaft konnte man von den wandernden Massen Frauen, Mädchen und Kinder an sich nehmen. Später verbot die Behörde diesen Handel; dennoch kommen die Aneignungen vor. Ich sah selbst zwei Frauen von 16 und 30 Jahren, die von der Straße weg von Türken zu sich genommen wurden und die mir dann - als ich zu den Türken noch am selben Tage als Gast kam, erzählten, sie seien aus Adiaman und bereits 10 Tage auf dem Wege. Die Gendarmen waren gut mit ihnen gewesen, schlugen eine räuberische Kurdenbande, die auf Weiberraub lauerten, zurück - in den Dörfern bekamen sie immer wieder Brot und Käse. Tagesmärsche dauerten 6-7 Stunden, Rast hatten sie oft. Auf dem Wege von Adiaman trafen sie nackte ermordete Frauen, auch verstümmelte mit abgeschnittenen Brüsten, zwei noch Lebende erzählten, sie seien vom Zuge zurückgeblieben, teils aus Krankheit, teils aus Fluchtabsicht; wobei sie dann von den Kurden geschändet und beraubt wurden.
Auf dem Transporte gehen viele Personen zugrunde. In Urfa stürzte vor mir eine Frau nieder. Da der Polizist nicht zurückbleiben durfte, forderte er einige Umstehende auf, zur Polizei zu gehen, um dies zu melden, damit man die Kranke wegtrage! Am andern Tag fand ich dieselbe Frau (30 Jahre alt) in einer anderen Straße vor dem Waisenhause in dem größten Sonnenlicht auf der Straße tot liegen. Ich trat hinzu, und sie zeigte bereits blaues Gesicht. Soldaten standen nebenan auf Posten, Polizei und Zivil belebten den Platz. Die Frau lag meiner Schätzung nach schon mehrere Stunden tot. Erst meine Intervention beim Mutesarrif veranlaßte innerhalb einer halben Stunde die Abfuhr des Leichnams, jedoch mit einem Mistwagen.
Außerhalb Urfa's (gegen Tell Abiad zu), knapp vor den Urfagärten, lag am Straßenrande der Leichnam eines 20-24jährigen Mannes. Niemand beerdigte ihn, sondern Raubvögel fraßen daran.
Auf der Straße Urfa-Arab Punar sah ich wohl im Dunkeln keine Leichen, doch mein Kutscher, der diesen Weg beständig fährt, zeigte mir längs der Straße hin und wieder Brandstellen - die menschlichen Kadaver werden nämlich an Ort und Stelle verbrannt.
Manche Züge humpeln schreiend vor Schmerz dahin, - sobald sie eines Menschen ansichtig werden, fallen viele dieser Unglücklichen auf die Kniee und erbitten Hilfe und Rettung oder legen ihre Kinder zur Annahme vor. Auf diesen Märschen bei 56 ° Celsius und bei Wassermangel erliegen viele vor Erschöpfung - wer zurückblieb ist dem Tode sicher.