1915-03-04-DE-003
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Quelle: DE/PA-AA/R 22404
Zentraljournal: 1915-A-9358
Erste Internetveröffentlichung: 2012 April
Edition: Die deutsche Orient-Politik 1911.01-1915.05
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 120
Zustand: A
Letzte Änderung: 06/17/2017


Der Botschafter in Konstantinopel (Wangenheim) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Telegraphischer Bericht



Nr. 120.

Pera, den 4. März 1915

Abschrift.

Der Kaiserliche Konsul in Haifa meldet vom 3. d.M.:

„Auf Einladung des Oberkommandieren Dschemal Pascha, mit dem ich im Auto zusammen fuhr, nahm ich an der Parade der soeben von der egyptischen Expedition zurückgekehrten 25. und 10. Division in Bir es seba teil. Die 10. türkische Division machte einen guten Eindruck. Die 25. arabische Division, die hauptsächlich in der Feuerlinie stand, ließ an strammer Haltung zu wünschen übrig. Immerhin müßte man nach den Anstrengungen, die sie gerade hinter sich hatte, mit ihrem Zustand zufrieden sein. Dschemal Pascha beglückwünschte die Truppen zu ihren Leistungen und forderte sie auf, bei der nächsten Expedition für die gefallenen Kameraden Rache zu nehmen. Meine Bemerkung, daß die egyptische Expedition abgesehen von der tüchtigen militärischen Leistung den politischen Vorzug habe, die Feindschaft des osmanischen Volkes mit England durch Blutvergießen zu verschärfen und dem Volke endlich wieder eine Offensiv-Kriegsidee einzuflößen, nahm er mit Beifall auf. Dschemal Pascha gab am nächsten Tage ein Essen zu Ehren des Oberst von Kress, bei dem er ihn „als die Seele der egyptischen Expedition“ in anerkennender Weise feierte. Er sagte: „Die Operation ist gelungen, aber der Patient verstarb. Der Feldzug ist gelungen, aber Egypten wurde nicht erobert. Wie Blücher sich vor Napoleon zurückzog, weil er Patronen holen wollte, so habe er den Rückzug befohlen, um Geschütze zu holen.“

Dschemal Pascha scheint nach seinen Worten vor einer ernsthaften Auseinandersetzung mit England nicht zurückzuscheuen, obwohl Stimmen laut werden, daß sowohl England als auch die Türkei es nicht aufs äusserste ankommen lassen wollen. Die türkenfeindlichen Araber wühlen im geheimen und übertreiben den Mißerfolg der egyptischen Expedition. Es ist große Wachsamkeit und Bearbeitung der öffentlichen Meinung erforderlich. Innere Unruhen sind vorläufig nicht zu befürchten. Die türkischen Truppen in Syrien und die Siege Deutschlands dämpfen die türkenfeindliche Stimmung. Im Innern Arabiens soll Ibn Rechid einen entscheidenden Sieg über Ibn Saud erfochten haben und gegen Bassora marschieren.

Aus der engeren Umgebung Dschemal Paschas hörte ich Äusserungen, die auf ein gewisses Mißtrauen gegen Deutschland deuten, als ob befürchtet würde, daß Deutschland durch seine verschiedenen Missionen nach Syrien die spätere Eroberung des Landes vorbereite. Ich habe mit von Kress hierüber gesprochen, der daraufhin allen Offizieren ernste Ratschläge gab, alles zu vermeiden, was die Mißstimmung der Türken erwecken könnte.“


[Wangenheim]



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