1915-02-24-DE-003
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Quelle: DE/PA-AA/R14085
Zentraljournal: 1915-A-07070
Erste Internetveröffentlichung: 2003 April
Edition: Genozid 1915/16
Praesentatsdatum: 02/25/1915 p.m.
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Leiter der "Nachrichtenstelle für den Orient" (Oppenheim) an das Auswärtige Amt

Bericht




G. A.

In uns zur Verfügung stehenden russischen Zeitungen vom Anfang Februar wird wiederholt auf die Flucht einer grossen Anzahl von Armeniern aus den türkischen Gebieten nach den russischen Kaukasus-Ländern hingewiesen. Des weiteren darauf, dass die Armenier in Europa sich stets auf die Seite der Ententemächte gestellt und in der französischen Armee teilweise Dienst genommen haben. Beim Zusammentritt der Duma ist von den Armeniern offen ausgesprochen worden, dass die türkischen Armenier mit Bewusstsein sich auf die Seite Russlands gestellt haben. In Zeitungen wird weiter zum Ausdruck gebracht, dass die Armenier bewusst Verrat an der Türkei geübt haben, indem sie in der Türkei ihre Stiefmutter, in Russland aber ihre wahre Mutter sehen. Ferner geht aus den Zeitungsmeldungen hervor, mit welcher Fürsorge die türkisch-armenischen Flüchtlinge in Russland aufgenommen worden sind. Alles weitere bitte ich aus den Zeitungsausschnitten ersehen zu wollen. Es sei noch hinzugefügt, dass nach einer Temps-Meldung in einer armenischen Kirche in Paris Armenier französische Kriegsdienste angenommen haben. In einer Mitteilung des ”Matin” vom 25. Februar werden die Ausländer, die während der Dauer des Krieges in der französischen Armee angenommen sind, aufgeführt, unter diesen 592 Türken und 11854 Untertanen verschiedener Nationalitäten, unter denen gewiss einer grössere Anzahl Armenier gewesen sein dürfte. Im allgemeinen ist der Armenier kein tapferer Mann. Es wird ihn vielfach Not und Arbeitsmangel zum Kriegsdienst getrieben haben. Immerhin ist es nicht unmöglich, dass die Armenier überall mit allen Kräften am Kampfe gegen die Türken, wenn auch in fremdem Lande, teilnehmen wollen. Hierzu werden die armenischen seit Jahrzehnten bestehenden Hetz-Komitees beigetragen haben.

Ich bitte das Vorstehende nach Konstantinopel weiter zu geben und dort gleichzeitig anfragen zu wollen, wie nach dortigen Nachrichten die Armenier sich im türkischen Reiche verhalten. Des weiteren wäre es gut von Konstantinopel Nachricht zu erbitten, welche Stellung die türkische Regierung (bezw. die türkische Presse) der armenischen Frage gegenüber jetzt einnimmt. Hiervon wäre die Verwendung der einliegenden Notizen in der hiesigen Presse abhängig zu machen.

In den mir vorliegenden türkischen Zeitungen ist von einer Auswanderung von Armeniern aus der Türkei nach Russland nichts erwähnt, und auch sonst keine Unfreundlichkeiten gegen diese verzeichnet. Die Einlagen würden daher voraussichtlich nur zur Kenntnis zu nehmen und nicht an die deutsche Presse zu geben sein.


Opph [Oppenheim] Anlage 1

Anlage 1


Die Armenier betreffend

Novoe Vremja vom 28. Januar/10. Februar 1915

Rede des Vertreters der Armenier in der Duma am Tage der bekannten Rede Sasonows.

Im Namen der Armenier sprach Papadzanow:

”Vom Tage der Kriegserklärung an erhoben sich die russischen Armenier wie ein Mann zur Verteidigung des Vaterlandes im Kampfe für Recht und Gerechtigkeit. Mit Freuden sandten sie ihre Reservisten ins Heer; in grosser Zahl meldeten sie sich freiwillig bei den Armeen im Westen und im Kaukasus. Die Armenier, welche sich in Frankreich und England aufhielten, handelten wie ihre Brüder hier, indem sie in die Reihen der Heere der edlen Verbündeten eintraten.

Die armenische Bevölkerung von Türkisch-Armenien begrüsste mit Jubel unsere siegreichen Heere, half wo und wie es konnte und bereitete ihnen einen feierlichen Empfang mit der Geistlichkeit an der Spitze unter Kirchenglocken-Geläut. Im Glauben und in fester Hoffnung auf Russland sind zehntausende von Bauern nach Russland geflohen. Unsere kaukasische Armee erwies sich würdig des alten Ruhmes ihrer Väter......

Ich kann nicht verschweigen, mit welcher Menschenliebe und Teilnahme unsere Kosaken gehandelt haben. Bei der Flucht der unübersehbaren Massen der Christen von ihren heimatlichen Herden zeigten die Kosaken so unendlich viel Ritterlichkeit und Fürsorge, so unendlich viel Zartheit zu den Frauen und Kindern (laute Bravo-Rufe) .... Mit feinem Empfinden hat der russische Soldat richtig verstanden, warum diese Christen nach Russland ziehen und was sie an Russland fesselt. Die russischen Armenier, treue Söhne des grossen Russlands, trugen wohlgemut und mit Festigkeit alle Opfer im Namen des grossen Reiches und werden sie tragen bis zum Ende. Die türkischen Armenier erwarten mit festem Glauben ihre Befreiung. Es gibt nur eine Losung unter den Armeniern des Kaukasus, alle Schichten durchdringend:

Es lebe die russische Armee, es lebe das grosse Russland, das den Armeniern die Befreiung vom jahrhunderte alten türkischen Joche bringt.”


Anlage 2

Birzevya Vedomosti vom 20. Januar/2. Februar 1915

Der Gehilfe des Staatssekretärs Jevangulow, der im Auftrage des allrussischen Landschaftsverbandes das Gouvernement Erivan’ besucht hat, um den Flüchtlingen aus der Türkei Hilfe zu bringen, teilte dem Korrespondenten der Petrograder Telegraphen-Agentur mit, dass die Lage der christlichen Flüchtlinge, welche sich hierher vor der Rache der Türken und Kurden retten, die diese für die Unterstützung der russischen Truppen üben, eine überaus traurige sei. ..... Die militärischen Stellen verhalten sich sehr teilnahmsvoll zu den Flüchtlingen ..... und verteilen die Flüchtlinge auf die armenischen und russischen Dörfer des Gouvernements. Das Verhalten der Bauern zu den Flüchtlingen ist rührend. .....

Es sind grosse Geldmittel notwendig, damit die Flüchtlinge im Frühjahr wieder in ihre alte Heimat zurückkehren können, um ihre zerstörten Häuslichkeiten wieder aufzurichten.


Anlage 3

Russkoje Slovo Nr. 19 vom 24. Januar/6. Februar 1915

Hier wird ein Brief des armenischen Rechtsanwalts Calkus’janz wiedergegeben und kommentiert, den dieser an das Stadthaupt von Celnokow geschrieben hat. Er bittet um Unterstützung für die aus der Türkei und Persien geflüchteten Armenier. Darin heisst es unter anderem:

In den Augen der Türkei haben die Armenier die Grausamkeiten verdient, die ihnen die Türken zufügen, weil die Armenier Verrat geübt haben. Diesen Verrat gestehen die Armenier ohne weiteres zu. Kein Armenier kann auf einen Russen schiessen, weil er in ihm seinen grossen Bruder, seinen Verteidiger sieht. Der Armenier verrät die Türkei, weil die Türkei nicht seine Mutter, sondern seine Stiefmutter ist. Die Zahl der Armenier wächst, welche freiwillig in die Reihen der russischen Armee eintreten. Sie kommen nach Russland aus den entferntesten Gegenden der Welt, aus Amerika, Asien und Europa. Sie glauben an Russland und an die Mission Russlands.


Anlage 4

Russkija Vedomosti Nr. 12 vom 24. Januar/6. Februar 1915

Telegramm aus Tiflis.

Der Polizeimeister von Tiflis hat am 20. Januar bekanntgegeben:

Der Strom der christlichen Flüchtlinge aus der Türkei und Persien nach Tiflis nimmt kein Ende. Eine grosse Anzahl der Flüchtlinge hat an den äussersten Enden der Stadt Unterkunft gesucht bei armen Leuten, wie sie selbst solche sind. Ich habe sie gesehen, hungrig und ermattet, kaum mit Kleidungsstücken bedeckt, in den Strassen bettelnd ....

In einigen Häusern sind sie aufs Engste zusammengepfercht. Ich habe unter ihnen viele Kranke gesehen. Indem ich die Aufmerksamkeit der Polizeiorgane auf diese Erscheinungen lenke, befehle ich, dass sie die grösste Fürsorge den ankommenden Flüchtlingen angedeihen lassen, damit bis zu dem Moment, wo die städtischen und Wohltätigkeitsanstalten die Fürsorge übernehmen, die Flüchtlinge Wohnung, Nahrung und ärztliche Kontrolle erhalten. Das Betteln darf nicht erlaubt werden. In jedem Massenquartier sind aus der Zahl der Flüchtlinge Leute zu ernennen, die für Ordnung sorgen, sowie die Polizei von Erkrankungen, von Neuankommenden usw. benachrichtigen. Erkrankungen sind sofort den zuständigen Stadtärzten zu melden, die sofortige Isolierung der Leute mit ansteckenden Krankheiten und Desinfektion der Wohnungen vorzunehmen haben, um einem Umsichgreifen von Epidemien zu begegnen. In der ganzen Stadt ist die strengste Kontrolle aller Flüchtlingsquartiere dauernd durchzuführen.


Anlage 5

Novoe Vremja vom 29. Januar/11. Februar 1915

In Tiflis werden Lehrkurse für Desinfektion eröffnet; in Rastow a. Don werden Desinfektionsapparate bestellt.


[Notiz Auswärtiges Amt 1. März 1915]

Nebst Anlagen u. R. Pera, Nr. 188, zur gefl. Ktn. und mit dem Anheimstellen der Äusserung ergeb. übersandt.



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