1913-07-29-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R 14080
Zentraljournal: 1913-A-15437
Erste Internetveröffentlichung: 2017 November
Edition: Armenische Reformen
Praesentatsdatum: 07/29/1913 p.m.
Zustand: A
Letzte Änderung: 11/19/2017


"Vorwärts"





Es liegt auf der Hand, daß eine derartige Stellungnahme der russischen und der armenischen Bourgeoisie zu der armenischen Frage die aggressiven Tendenzen der russischen Politik in Vorderasien verstärken mußte. Anders freilich verhält es sich mit den objektiven Möglichkeiten eines solchen Vordringens Rußlands. Schon die allgemeine schroffe Verurteilung, die die neuerliche Aufrollung der armenischen Frage selbst in Frankreich und England fand, muß der russischen Diplomatie vor Augen führen, daß sie bei ihrem kleinasiatischen Abenteuer auf einen fast allgemeinen Widerstand stoßen würde. England hat genug an der militärischen Vorherrschaft Rußlands in Nordpersien; Deutschland würde seine wirtschaftlichen Aussichten in der Türkei bedroht sehen, und selbst das mit goldenen Ketten an das Zarenreich geschmiedete Frankreich würde sich nur schweren Herzens zu einer Unterstützung des russischen Vorgehens in Armenien entschließen. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist auch hier die durch Lösung der Bagdadbahnfrage herbeigeführte Einteilung der Interessensphären zwischen England und Deutschland in Vorderasien, die schon darin zum Ausdruck gelangt, daß England gegen den Besuch deutscher Kriegsschiffe in Mersina und Alexandrette und das Angebot der Schutzbereitschaft über die Armenier nicht Protest erhoben hat. Berücksichtigung verdient endlich auch die Tatsachen, daß Rußland durch sein mongolisches Abenteuer bereits im fernen Osten engagiert ist und kaum in der Lage sein würde, einen Kampf nach zwei Fronten hin zu führen. Alles dies läßt eine Vollstreckung der russischen Drohungen hinsichtlich Armeniens als kaum denkbar erscheinen. Ein Moment der steten Beunruhigung bleibt die armenische Frage immerhin. Um so dringender ist es deshalb, daß die Mächte durch eine energische Einmischung in die armenische Reformfrage dem russischen Imperialismus in Kleinasien den Boden unter den Füßen entziehen. Namentlich die deutsche Diplomatie sollte es sich angelegen sein lassen, mit aller Energie in dieser Richtung hinzuwirken, nicht nur, um den wirtschaftlichen Interessen Deutschlands in Kleinasien zu dienen, sondern um auch einmal einem bedrückten, dem Untergange geweihten Volke die rettende Hand entgegenzustrecken.



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