In heutiger Sitzung beschloß Armenier-Kommission, russischen und türkischen Reformplan nebeneinander zu beraten. Allseits wurde anerkannt, daß die Delegierten nicht berufen sind, Beschlüsse zu fassen oder Regierungs-Erklärungen abzugeben, sondern daß es sich lediglich um Gedankenaustausch handelt, dessen Ergebnis eventuell späteren Beschlüssen der Botschafter als Material dienen könnte.
Russe befürwortete alsdann Punkt I seines Entwurfs, Bildung einer einzigen armenischen Provinz. Österreicher wandten ein, daß dadurch eine privilegierte Zone geschaffen würde, wodurch auch andere Teile der Türkei zu Sonderbestrebungen ermutigt würden. Schönberg wies auf die in Bericht 208 erwähnten Schwierigkeiten hin, ein so großes Gebiet als Provinz zu verwalten und fragte, warum nicht auch Cilicien in Reformzone einbegriffen sei. Engländer und Russen begründeten dies damit, daß Armenier in Cilicien von denen in den sechs Wilajets durch einen Gebietsstreifen mit nur schwacher armenischer Bevölkerung getrennt seien, was Schönberg in Abrede stellte. Italiener schloß sich allen deutschen, österreichischen Ausführungen an.
Engländer erklärte sich auffallenderweise für russischen Vorschlag einer einzigen Provinz, was mit Bewilligung der beiden englischen Generalinspektoren nicht in Einklang zu bringen ist. England dürfte mit Widerstand gegen russisches Projekt so lange zurückhalten, als es dieser Notwendigkeit durch Haltung der Dreibundmächte enthoben ist.
Die von Schönberg angeregte Ausdehnung der Reformenzone auf Cilicien erscheint nicht unbedenklich, nachdem England sich zur Hergabe der Reformer bereit erklärt hat. Unsere öffentliche Meinung würde in der Leitung der Reformaktion in Cilicien durch Angehörige dritter Mächte zweifellos einen deutschen Echec erblicken.
1 Dok 1913-07-03-DE-001.