Seitens des hiesigen Wali wird im Allgemeinen ein bedeutendes Nachlassen wenn nicht Aufhören der Bewegung versichert und es soll sehr wohl in Marasch als in Antiochien wieder vollständige Ruhe herrschen. Die Zahl der Opfer In Antiochien wird auch von der Lokalregierung als sehr bedeutend angegeben. Besonders ernste Unruhen sollen in der Hafenstadt Suedié und in Enderun, Sandschak Marasch, stattgefunden haben.
In der Stadt Aleppo ruht seit einiger Zeit Handel und Wandel fast vollständig; weitaus die meisten Geschäfte sind geschlossen und nur auf dem Waffenbazar, wo in den letzten Tagen Tausende von Revolvern verkauft wurden, herrscht reges Leben. Christen und Muhammedaner versehen sich mit Waffen. Viele Einwohner, besonders Armenier und christliche Araber haben die Stadt verlassen und sind nach dem Libanon geflüchtet. Es herrscht ein allgemeines Gefühl der Unruhe, das noch durch die Ungewißheit über die Vorgänge in Konstantinopel bei dem fast gänzlichen Mangel an sicheren Nachrichten aus der Hauptstadt wie aus den Provinzen verstärkt wird. Die Anfangs der Woche fällig gewesene Post aus Konstantinopel über Konia, welche auch den größten Teil der meist auf dieser schnellsten Verbindungsstrecke beförderten Post aus Europa enthält, soll heute erst hier eintreffen.
Der geringste Zufall giebt so leicht Anlaß zur einer Panik, wie gestern gegen 1 Uhr Nachmittags ein Schuß im Bazar. Ohne jeden ernsten Grund pflanzte sich da die Panik bis in die Vorstädte fort und das Kaiserliche Konsulat füllte sich in kürzester Zeit mit zahlreichen Flüchtlingen aus der ganzen Nachbarschaft, hauptsächlich Frauen und Kinder, und erst nach und nach konnte im Verlauf von ca. 2 Stunden die aufgeregte Menge wieder beruhigt werden, nachdem ihr auch mitgeteilt worden, daß bei wirklicher Gefahr das Kaiserliche Konsulat als Zufluchtstätte Tag und Nacht offen stehen würde.
Die Zahl der in Aleppo befindlichen Truppen ist in den letzten Tagen nicht unbedeutend verstärkt worden. Infanterie- und Kavalleriepatrouillen zirkulieren ununterbrochen in der Stadt und den Vorstädten, sowie in der nächsten Umgebung der Stadt, und falls nicht unvorgesehene Zwischenfälle eintreten sollten, glaube ich trotz der bemerkbaren Erregung annehmen zu sollen, daß die Ruhe hier ernstlich nicht gestört werden wird.
Deutsche Reichsangehörige der Schutzgenossen scheinen, soweit bisher bekannt geworden ist, im Bezirk des Kaiserlichen Konsulats nicht direkt gefährdet worden zu sein. In der Gegend von Urfa ist es anscheinend ganz ruhig geblieben. Der Chef der 4. Brigade der Vorstudienkommission für die Bagdadbahn ist gestern aus der Umgegend von Urfa hier eingetroffen und hat bei seinem viertägigen Ritte unterwegs Verdächtiges nicht bemerkt.