1915-09-18-DE-003
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Quelle: DE/PA-AA/BoKon 97/Bl. 12-14
Botschaftsjournal: 10-12/1915/7846
Erste Internetveröffentlichung: 2010 April
Edition: Deportationsbestimmungen
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Aufzeichnung des Generalkonsuls in der Botschaft Konstantinopel (Mordtmann)





Auf dem Ministerium des Innern kam Djanbulad bey heute auf die Frage Agabalian zurück. Er teilte mir ein Telegramm des Valis von Adana mit, in dem A. als müfsid [?] (Intrigant) geschildert wird: er sammelt und verbreitet die Nachrichten über die Armeniergreuel und macht dadurch Stimmung gegen die Regierung; infolge seiner amtlichen Stellung kann er nicht gehindert werden, mit seinen aus dem Innern verschickten Glaubensgenossen in Verkehr zu treten.

Djanbulad bej deutete an, daß der Vali unter diesen Umständen eventuell auf eigene Faust den A verschicken würde, und es sei daher, um einen Konflikt zu vermeiden, dringend wünschenswert, wenn wir Agabalian von Adana zu einem anderen Konsulate versetzten; allerdings möchten wir ihn nicht - wie ich gleich vorschlug - hierher kommen lassen. Er stellte anheim, ihn nach Syrien mit Ausnahme von Aleppo, evtl. nach Mossul zu schicken.

Ich nahm die Sache ad referendum und möchte dazu Folgendes hervorheben:

1) soviel ich weiß, besteht Agabalian’s Haupttätigkeit in seiner Lehrtätigkeit an der deutschen Schule des Dr. Silbermann und seine besoldete Stellung am Konsulate ist eine versteckte Reichssubvention für die Schule; vgl. hierzu A 1011 vol 3 Nr. 2833

2) die Behauptung des Vali, daß Agabalian die Berichterstattung über die Armeniergreuel in regierungsfeindlichem Sinne beeinflusse, dürfte nicht unrichtig sein;

3) aus der Entwicklung der Affaire Agabalian ergab sich, daß Talaat die Auffassung des Vali teilt;

4) soviel ich sehe, steht uns ein formelles Recht den Agabalian zu schützen nicht zu.

Ich glaube daher, daß der Vorschlag des Djanbulad bej ernstliche Erwägung verdient.

Nach R. mit H. Frh. v. Neurath 19.9:


[Entwurf Mordtmann für Telegramm an Konsulat Adana 19.9.]

Im Anschluß an Tel. No. 34 vom 4. September.

Dortiger Vali besteht auf Verschickung des Agabalian; er begründet daß letzterer in Sachen der Armeniergreuel regierungsfeindliches Material sammelt und zu diesem Zwecke Verkehr mit den dort durchkommenden Verbannten aus anderen Provinzen unterhält. Das Ministerium des Innern hat uns nahegelegt den Genannten nach Syrien zu versetzen, um Konflikt zu verhindern. Die Kais. Botschaft kann sich hierzu nicht verstehen solange nicht gravierendere Momente gegen Agabalian vorliegen, doch ersuche ich Ew. pp. diesen anzuweisen, jeden anstößigen Verkehr mit seinen Landsleuten zu vermeiden und wenn Ew. pp. es für angebracht halten auch seine Tätigkeit an der deutschen Schule einzustellen. Ferner stelle ich anheim, Vorkehrungen zu treffen damit Genannter nicht ohne Weiteres von den Behörden aufgegriffen werden kann, ihn also eventuell ins Konsulat aufzunehmen.


[Botschaft an Konsulat Adana 19.9.]

Nr. 44 im Anschl. an Tel. Nr. 34.

Vali behauptet Verkehr Agabalians mit durchkommenden Verbannten u. Sammlung regierungsfeindlichen Materials besteht daher auf Verschickung A. Minister des Innern anregt Versetzung, um Konflikt zu vermeiden. Bitte A. jedweden verdächtigen armenischen Verkehr unbedingt untersagen evtl. auch Tätigkeit an Schule vorläufig einstellen lassen. Drahtbericht nach genauer Prüfung, ob Behauptungen Valis irgendwie begründet. Ich ablehne Maßnahmen gegen A. solange türk. Reg. nicht zwingendes Beweismaterial beibringt, stelle aber unter Voraussetzung seiner Schuldlosigkeit anheim A. gegen Aufgreifen durch Aufnahme ins Konsulat sicherzustellen.


[Notiz Mordtmann 20.9.]

Habe heute im Ministerium des Innern Mitteilung von unserer Entscheidung gemacht. Djanbulad bej schien befriedigt.



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