1917-09-29-DE-001
Deutsch :: de
Home: www.armenocide.net
Link: http://www.armenocide.net/armenocide/armgende.nsf/$$AllDocs/1917-09-29-DE-001
Quelle: DE/PA-AA/R14097
Erste Internetveröffentlichung: 2003 April
Edition: Genozid 1915/16
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


"Norddeutsche Allgemeine Zeitung"

Die Türkei und die politische Lage.



Konstantinopel, 24. September. (Verspätet eingetroffen.)

(Meldung der Agentur Milli.) Der Kongreß der Partei für Einheit und Fortschritt wurde heute geschlossen. Der Ausschuß wurde mit Stimmenmehrheit gewählt und zwar Großwesir Talaat Pascha zum Präsidenten und zum Generalsekretär Midhat Schürkri. Entsprechend einem auf dem vorjährigen Kongreß gefaßten Beschlusse wurde dem Zentralkomitee ein Generalrat hinzugefügt, der aus Ministern, Senatoren und Deputierten der Partei besteht und dessen Wahlen nunmehr vorgenommen wurden.

Großwesir Talaat Pascha hielt folgende Ansprache: Wir befinden uns im vierten Jahre des Weltkrieges, und man hatte geglaubt, daß Europa nicht mehr als sechs Monate die Vernichtungen eines solchen zu ertragen vermöchte. Trotz der allgemeinen Ermüdung, trotz der bei unseren Feinden herrschenden Unordnung, ja sogar Revolution, beharren sie bei ihrem Starrsinn und wollen sie den Feindseligkeiten kein Ende machen. Unsere zum Zweck der Verschonung der leidenden Menschheit mit unnützem Blutvergießen unternommene Friedensinitia-tive war nicht imstande, unsere Feinde, die im Banne eines Nervenzustandes stehen, der sie hindert, alle schweren Gefahren und Folgen der Eroberungs- und Herrschgelüste zu ermessen, zur Vernunft und Billigkeit zu bringen. Unser Land, das gezwungen war, an diesem Kriege in einem Augenblicke teilzunehmen, in dem es sich inmitten einer Evolution des staatlichen Lebens befand und noch die Wirkungen früherer Angriffe verspürte, mußte natürlich am meisten unter der Verlängerung des Kampfes leiden. Da aber unsere Nation von der Ueberzeugung durchdrungen ist, daß die fortdauernden Leiden und Opfer nur der Konsolidierung unseres Staates und der Erhaltung unserer Unabhängigkeit dienen, muß und wird sie all die ihr auferlegten Schwierigkeiten und Prüfungen mit Willensfestigkeit ertragen.

Untätig zu bleiben angesichts dieses Krieges, der auf die Hervorrufung großer Umwälzungen in der politischen Situation hinzielt, und sich mit der Rolle des Zuschauers zu begnügen, hieße für einen Staat nichts anderes, als sich von Haus aus zu einem wenig ehrenhaften Tode zu verurteilen. Insonderheit konnte die Türkei, die als Verbindungsglied Asiens und Europas Jahrhunderte hindurch für Europa der Schild gegen den brutalen moskowitischen Einbruch war, und die im Laufe der Jahrhunderte direkt und indirekt in europäische Kriege verwickelt worden war, keinesfalls eine solche zu erwartende Rolle auf sich nehmen; deshalb hat Seine Majestät der Sultan alsbald nach dem Ausbruch des Weltkrieges die allgemeine Mobilisierung angeordnet und die osmanische Regierung mit bewaffnetem Arm sich angeschickt, dem Verlaufe der Ereignisse zu folgen. Der Angriff der englischen Flotte gegen unsere Flagge war nicht als casus belli betrachtet worden. Wir begnügten uns, die Dardanellen zu schließen. Später hat uns der russische Angriff im Schwarzen Meer und an unseren Grenzen gezwungen, der Richtung unserer historischen Bestimmung zu folgen, und so haben wir, mit Dankbarkeit und Erkenntlichkeit begrüßt, unseren Platz an der Seite der Mittelmächte genommen.

Unsere Armee hat durch den Heroismus und die Tapferkeit, die sie während der verflossenen drei Kriegsjahre in den Kämpfen auf verschiedenen Fronten entfaltet hat, nicht nur das Andenken ihrer Vorfahren zu segnen und zu glorifizieren verstanden, sondern auch die Achtung und Bewunderung der ganzen Welt zu gewinnen gewußt. Ein Staat, der sich auf eine Nation stützt, aus deren Schoß eine solche Armee hervorgegangen ist, hat sich ewiges Leben gesichert und seine Existenzberechtigung vollauf bewiesen. Unsere Feinde müssen dies zugeben, und wenn sie die Unduldsamkeit so weit treiben sollten, unser heiliges Recht nicht anerkennen zu wollen, werden wir sie dazu zwingen, indem wir uns unter den Schutz des Allmächtigen begeben und den Krieg fortsetzen werden, bis wir sie dazu bekehrt haben.

Wir haben wiederholt betont, daß wir nur kämpfen um unsere Existenz, unsere Unabhängigkeit, für die freie Entwicklung und für unseren Fortschritt. Wir werden bereit sein, in Verhandlungen einzutreten im Augenblicke, da unsere Feinde uns wissen lassen werden, daß sie geneigt sind, diese Prinzipien anzunehmen.

Ohnmächtig auf dem Schlachtfelde, die tapfere Waffe der osmanischen Armee zu zerbrechen, und außerstande, ihre Eroberungsziele mit Waffen und Feuer zu befriedigen, hören sie nicht auf, im eigenen Lande sowohl wie im Auslande eine Flut von Verleumdungen zu verbreiten, und scheuen sie vor keiner Art von Propaganda zurück, um die öffentliche Meinung zu vergiften. Diese Machenschaften werden zu dem einzigen Zwecke unternommen, um für den Friedensschluß ein für ihre Absichten günstiges Terrain vorzubereiten. So verbreiten unsere Feinde überall die Fabel, daß wir die feindlichen Untertanen und Gefangenen übel behandeln, sprechen sie von an Armeniern und Israeliten verübten Greueln, aber ehe diese Nachrichten von uns und von mehreren neutralen Persönlichkeiten, die nur im Dienste der Humanität und Gerechtigkeit handeln, dementiert wurden, hat sich die Wahrheit Bahn gebrochen und sind der Wert und der Ursprung dieser Verleumdungen Gott sei Dank vielfach richtig erfaßt worden.

Indessen halte ich es zur Aufklärung der öffentlichen Meinung doch für nötig, einige Worte darüber zu sagen. Die menschliche Behandlung und der Edelmut, der von uns den feindlichen Untertanen und Gefangenen gegenüber bekundet wird, wurden vollständig anerkannt, nicht nur von den neutralen, sondern vielfach auch vonseiten unserer Gegner. Unsere Soldaten haben die allgemeine Achtung und Bewunderung nicht nur durch Akte ihrer Tapferkeit und ihres glänzenden Heroismus, die sie in den Dardanellen, in Mesopotamien und auf anderen Fronten entwickelt haben, sondern auch durch ihre edle und hochherzige Haltung gegenüber ihren Feinden erworben. Vielfache Mitteilungen englischer Blätter, insbesondere die Aeußerungen eines berühmten englischen Korrespondenten, welcher sein Bedauern aussprach, einer so edlen und tapferen Nation, die er so sehr als Freundin an seiner Seite zu sehen gewünscht hätte, als Feind gegenüberzustehen, geben Zeugnis davon. Die Artikel des berühmten schwedischen Forschers Sven Hedin, die Erklärungen des amerikanischen Botschafters Elkus, sowie diejenigen der amerikanischen Konsuln in Aleppo und Jerusalem, die voll Lobes sind für die ritterliche osmanische Nation, die Artikel des schweizerischen Blattes „Der Bund“ und ein solcher des „Osservatore Romano“, in welchem über die weitgehende Fürsorge der osmanischen Regierung für die Kriegsgefangenen berichtet wird, sowie die Publikationen des Roten Kreuzes über dieselben Angelegenheiten sind, wie ich glaube, Beweise genug, die mich entheben, mich weiter über dieses Thema zu verbreiten.

Unsere Feinde bringen unsere bei ihnen lebenden Staatsangehörigen in Konzentrationslager oder sie deportieren sie, wie dies Rußland getan hat, nach Sibirien oder anderen entfernten Gegenden, wobei sie ihr Vermögen beschlagnahmen, während bei uns, wie jedermann weiß, die feindlichen Staatsangehörigen frei ihren Geschäften nachgehen. Wenn bei uns gegen Ausländer irgendwelche Maßnahmen ergriffen worden sind, so ist dies, wie jeder weiß, entweder als Vergeltungmaßnahme geschehen, oder auf militärische Erfordernisse zurückzuführen, was völkerrechtlich vollkommen zulässig ist. Uebrigens kann man sich keinen Staat vorstellen, der anders handeln würde.

Die Armenier, die seit Jahrhunderten unter dem Banner der Kaiserlichen Regierung leben, genießen deren Fürsorge als ein Element der Arbeit und der Eintracht, solange sie sich nicht Einflüsterungen hingeben, die von außen kommen und zu Unruhen und Lostrennung aufreizen. Die Russen haben, um ihre Ziele zu erreichen, die Methode angewendet, die christlichen Elemente zum Aufstand aufzureizen. Sie hatten um die Mitte des 19. Jahrhunderts die Agitation unter den Armeniern begonnen und einige phantasiebegabte Armenier gefunden, die ihnen als Werkzeug für Aufstand und Unruhen dienten. Im Jahre 1877, als die Russen nach San Stefano kamen, wandte sich der armenische Patriarch an den Großfürsten Nikolaus und überreichte ihm eine Bittschrift zugunsten der armenischen Unabhängigkeit. Die Treibereien, die hierauf folgten, bewirkten die Einfügung des Artikels 61 in den Berliner Vertrag.

Danach nahmen die Komitatschis, die immer noch ihren Illusionen nachjagten, diesen Artikel 61 als Emblem an. Sie erhoben die Fahne des Aufstandes, um die Bevölkerung zu täuschen und um die allgemeine Aufmerksamkeit im Auslande auf sich zu lenken. Durch die von Zeit zu Zeit entfachten Aufstände vermehrten sie die Schwierigkeiten der Regierung und brachten Unglück über ihre Volksgenossen. In den Tagen des Despotismus betrachteten wir osmanische Patrioten als unsere natürlichsten Genossen in dem Kampfe um die Verfassung die Armenier, die indessen unter dem Scheine des Kampfes für die Freiheit nur ihre eigennützigen Ziele verfolgten. Wir, die wir von den obengenannten Gedanken ausgingen, reichten den Armeniern die Hand, ließen ihnen alle politischen Rechte zuteil werden und zögerten nicht, ihnen Sitze im Senat und ohne Rücksicht auf die Bevölkerungsdichte, Sitze in der Kammer zu gewähren. Wir haben ihnen ferner Stellen im Staatsrate und die wichtigsten Aemter in allen Regierungsabteilungen gewährt. Als nun die Reaktion in Konstantinopel sich von neuem erhob und sich überall, nach Albanien, Arabien und mehreren anatolischen Wilajets ausdehnte und wir damit beschäftigt waren, die reaktionäre Bewegung zu ersticken, die sich gegen die Freiheit und die Existenz des Staates erhob, haben die armenischen Komitatschis, obwohl sie sahen, daß die von innen und außen kommenden Angriffe keinen anderen Zweck hatten, als die verfassungsmäßige Regierung zu stürzen, sich von neuem in Illusionen wiegen lassen und in ganz Europa Missionen umhergeschickt, die unerfüllbaren Lostrennungsgedanken nachliefen.

Während die armenische Frage sich in diesem Stadium befand, brach der allgemeine Krieg aus. Aus den von mir anfangs meiner Rede auseinandergesetzten Gründen war die Regierung genötigt, sofort die allgemeine Mobilisierung anzuordnen und sodann in den Krieg einzutreten. Der infolge des Kriegszustandes verhängte Belagerungszustand hemmte die politische Tätigkeit und unterwarf sie einer strengen Kontrolle. Die Armenier, von denen man nicht glaubte, daß sie in ihrer Kühnheit so weit gehen würden, vaterlandsverräterische Handlungen während dieses Weltkrieges zu begehen, wurden wie die anderen Bürger in die Armee eingereiht und Waffen an sie verteilt. Die Komitatschis, die bis zu unserem Eintritt in den Krieg sich ruhig verhalten hatten, gingen, sobald die Russen unsere Grenze überschritten und einige unserer Orte besetzt hatten, von Ruhe und Treue zur Revolution über.

Im dritten Kriegsmonat überreichte der Abgeordnete von Wan, Arian, dem Wali dieses Wilajets ein Memorandum, worin die Forderungen der Armenier dargelegt waren, die mit den vorher der Hohen Pforte mitgeteilten Forderungen identisch waren. Dieser Ueberreichung folgte die Desertion der in die Armee eingereihten armenischen Soldaten, die mit ihren Waffen in die Berge flohen und Angriffe gegen die Gendarmen und die muselmanische Bevölkerung unternahmen. Daraufhin hat die Kaiserliche Regierung in Konstantinopel dem Patriarchen und den zum Komitee gehörigen Abgeordneten den Ernst der Lage auseinandergesetzt und ihnen Vorbeugungsmaßnahmen empfohlen. Die Regierung wartete noch 1½ Monate auf das Ergebnis. Erst als vor der Armee der Aufstand von Wan und hinter der Armee der Aufstand von Zeitun ausbrach, begannen überall Hausdurchsuchungen, deren Notwendigkeit der Armeekommandant betont hatte. Man fand Waffen, Bomben und Explosivstoffe in Diarbekr, Urfar, Kaisseri, Jemit, Adabasar, Badschedink, Amassia, Siwas, Mezifun, Trapezunt, Samsun, Arabkir, Maladia, Doertjoel, Hadschin, Brussa, Erserum, Ersindjan und anderen Orten. Diese Gegenstände wurden zum größten Teil in Klöstern und Kirchen entdeckt. Erst als es offensichtlich war, daß die Armee in ihrer Flanke und in ihrem Rücken bedroht war, schritt man, um die Armee zu schützen, zu Deportationen aus der Kriegszone. Man kann nicht behaupten, daß diese Deportationen in regelrechter Weise vor sich gegangen sind. Denn die Gendarmen waren in die Armee eingereiht und die Ordnung konnte nicht in der gewünschten Weise gesichert werden. Aber die Zentralregierung entsandte mehrere Untersuchungskommissionen, die alle jene, die sich Angriffe hatten zuschulden kommen lassen, vor Kriegsgerichte stellten. Diejenigen, die der Uebeltaten überführt wurden, sind zu den härtesten Strafen verurteilt worden, wie zum Tode und zu Zwangsarbeit.

Auf diese Weise hat die Kaiserliche Regierung die ihr obliegende Aufgabe erfüllt. Es steht jeder Regierung das Recht zu, sich gegen diejenigen, die sich gegen sie mit den Waffen in der Hand erheben, zu verteidigen. Dieses Recht besteht bei uns ebenso wie für England und Frankreich. Hätten die Engländer, die alle Arten von Grausamkeiten gegen die Irländer begangen haben, ohne sich um den Schutz des Lebens der Kinder und Frauen zu kümmern, diese letzteren nicht außerhalb der Kriegszone gebracht, wenn eine Revolution ausgebrochen wäre und sich bis in die Flanken und bis zum Rücken der gegen die Deutschen kämpfenden Armee ausgedehnt hätte? Die Kinder und Frauen, die die Engländer in den Konzentrationslagern in Transvaal Hungers sterben ließen, und die so schrecklichen Grausamkeiten, die in Indien unter dem Vorwande, die Ordnung wiederherzustellen, begangen wurden und die das menschliche Gewissen zittern machen, sind unwiderlegliche Beweise dafür, daß die englische Politik sich durch menschliche Rücksichten keineswegs beirren läßt.

Die Städte Gasa und Jaffa waren aus militärischen Gründen geräumt worden. Unsere Feinde haben auf Grund dieser Räumung eine Geschichte von Verfolgungen und Grausamkeiten erfunden, die man sich unmöglich vorstellen kann. Die Agenturen und Blätter haben nicht aufgehört, uns mit allen möglichen Verleumdungen zu überschütten, aber die Wahrheit kam sehr rasch an den Tag. Die Kaiserliche Regierung hatte bei der Anordnung dieser Räumung alle erforderlichen Schutzmaßregeln ergriffen. Die Depeschen, die nach der von neutralen Journalisten, Notabeln, Rabbinern, Konsuln und den bei der Hohen Pforte beglaubigten Botschaftern der neutralen Mächte angestellten Untersuchung abgesendet wurden, habe alle diese Verleumdungen Lügen gestraft.

Es wurde noch einmal dargetan, wie weit die Veröffentlichungen unserer Feinde von der Wahrheit entfernt waren. Eine Depesche des Reuterschen Bureaus meldete jüngst, daß der gewesene amerikanische Botschafter in Konstantinopel Morgenthau eine Reise nach Europa und dann nach Aegypten unternommen hätte, um die Mittel für die Schaffung einer jüdischen Regierung in Palästina sicherzustellen. Als wir diese Nachricht lasen, glaubten wir an eine Erfindung der genannten Agentur, denn dem Gedanken der Bildung einer jüdischen Regierung in einem Teil unseres Landes nachzulaufen, wäre eine große Undankbarkeit der jüdischen Welt. Die Tausende von Juden, die aus ihren Ländern nach den Vorschriften Ignatiews durch die Russen, die heute Verbündete der Engländer sind, verjagt wurden, flüchteten zu uns, und dort, wo sie irgendwelchem Druck ausgesetzt waren, fanden sie die volle Fürsorge unserer Regierung. Man kann sagen, daß die osmanische Regierung die einzige ist, die den Juden den vollen Genuß ihrer bürgerlichen und politischen Rechte läßt.

Die Regierung der Vereinigten Staaten hat soeben die Pforte durch Vermittlung der schwedischen Gesandtschaft amtlich davon verständigt, daß Morgenthau keineswegs aus den obenerwähnten Gründen sich nach Europa und Aegypten begeben hätte und daß seine Reise durchaus anderen Zwecken gedient habe. Dadurch wird amtlich bestätigt, daß wir uns in unserer Annahme nicht getäuscht haben. England, das genau weiß, daß die Juden in Deutschland und Oesterreich-Ungarn geachtet sind, zielt mit diesen Umtrieben nur darauf hin, unsere Beziehungen mit unseren Verbündeten zu trüben. Ich hoffe zuversichtlich, daß die jüdische Nation, die ein gewissenhaftes Element darstellt, in die ihr gelegte Falle nicht gehen wird.

Nachdem ich die Natur der Verleumdungen, mit denen wir überhäuft wurden, dargelegt habe, möchte ich von der an die Monarchen und Staatsoberhäupter der kriegführenden Staaten gerichteten Note des Papstes sprechen, dessen Handlungsweise von den höchsten menschlichen Gedanken eingegeben war. Der Papst schlägt zur Beendigung des furchtbaren Krieges zwei Grundlagen vor, nämlich die allgemeine Abrüstung und die Lösung aller Streitigkeiten durch ein internationales Schiedsgericht. Wir verfolgen nur das Ziel, innerhalb unserer Grenzen alle unsere natürlichen und moralischen Reichtümer frei zu entwickeln und so unserem Glück und demjenigen der ganzen Menschheit zu dienen. Deshalb können wir mehr als alle anderen erklären, daß wir Anhänger eines solchen Schiedsgerichtes sind, das sich bei der Urteilsfällung auf Gleichheit der Rechte aller Länder, der kleinen wie der großen, stützen würde. Bezüglich der Abrüstungsfragen werden wir uns keiner Lösung widersetzen, die mit unseren Lebensinteressen vereinbar ist. Unsere Antwortnote, die auf den im Gedankenaustausch mit den Verbündeten festgestellten Grundlagen verfaßt ist, wurde dem Papste übersandt.

Die allgemeine militärische Lage des Vierbundes ist für ihn günstig und sicherer als je. Was unsere politische Lage betrifft, so flößt sie sicherlich viel mehr Vertrauen ein als diejenige unserer Feinde, die von Revolutionen und Unruhen heimgesucht werden. Unsere wirtschaftliche und finanzielle Lage ist gut. Wann der Friede geschlossen werden wird, kann man heute nicht sagen, doch ist es augenscheinlich, daß wir uns dem Ende nähern. Wir erwarten demnächst, ausharrend und einig bleibend, den endgültigen Sieg, der uns zu Unabhängigkeit und Befreiung führt.

Der Großwesir schloß mit folgenden Worten: die große Lehre dieses Krieges muß die Ueberzeugung sein, daß eine moderne Nation sich nur durch Wissenschaft und Moral heben kann, die soziale Erfahrung lehrt, daß die Souveränität des Gesetzes nur durch die Souveränität des Wissens und der Moral gesichert werden kann. Eine wesentliche Aufgabe des Staates ist, eine auf dem Gesetz beruhende Gerechtigkeit und Freiheit zu schaffen, aber die Verwirklichung dieser Aufgaben ist nur möglich, wenn das Uebergewicht der Wissenschaft und der Moral wohlgesichert ist. Arbeiten an der Befestigung der Herrschaft des Gesetzes sowie gleichzeitig an derjenigen der Moral und zu diesem Zwecke die Weisungen der Wissenschaft zu achten, muß den heiligen Zweck der Partei bilden. Ich schließe somit den Kongreß, indem ich Sie auffordere, dieses heilige Ziel hochzuhalten.

Am Schlusse der Tagung hat der Kongreß dem neuen polnischen Staate seine Grüße und seine Sympathie entboten.



Copyright © 1995-2024 Wolfgang & Sigrid Gust (Ed.): www.armenocide.net A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. All rights reserved