1916-04-03-DE-002
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Quelle: DE/PA-AA/R14091
Zentraljournal: 1916-A-09024
Erste Internetveröffentlichung: 2003 April
Edition: Genozid 1915/16
Praesentatsdatum: 04/07/1916 a.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: B. Nr. 3749
Zustand: B
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Botschafter in außerordentlicher Mission in Konstantinopel (Wolff-Metternich) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

Bericht



B. Nr. 3749
Pera, den 3. April 1916.

Die Türkische Regierung hat in ihrer Note vom 22. Dezember 1915 (Anlage des Berichts No. 729 vom 23. Dezember 1915) jede Verantwortung für den Schaden, den deutsche Reichsangehörige durch die Armenierverfolgungen erlitten haben, abgelehnt. Der Anspruch auf Schadensersatz war von uns in der Verbalnote vom 13. September 1915 (Anlage des Berichts No. 6358 vom 13. September 1915) erhoben worden.

Die Türkische Regierung vertritt den Standpunkt, daß die Umsiedelungsmaßnahme nicht nur, wie wir zugegeben haben, in den Ostprovinzen, sondern im ganzen Reichsgebiet durch militärische Gründe gerechtfertigt war. Hieran wird sowohl die jetzige Regierung wie jede folgende, falls kein völliger Systemwechsel eintritt, mit größter Zähigkeit festhalten. Es wäre aussichtslos, die Tatsache der Austreibung der Armenier aus den nicht unmittelbar vom Kriege berührten Landesteilen als die den Schadensersatz begründende Rechtsverletzung hinstellen zu wollen. Wir werden unsere Ansprüche nur auf die verbrecherischen Übergriffe und schuldhaften Unterlassungen stützen können, die bei der Ausführung der Maßnahmen von Regierungsorganen begangen worden sind. Allerdings wird der Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem pflichtwidrigen Verhalten der Beamten und der Vermögensschädigung im Einzelfalle kaum möglich sein. Es fragt sich aber, ob nicht bei der Fülle des Belastungsmaterials von der Vermutung ausgegangen werden kann, daß der Schaden auf ein von der Regierung zu vertretendes Verschulden zurückzuführen ist.

Was die Art des zu ersetzenden Schadens betrifft, so würden wir nach allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen nur den direkten Schaden in Rechnung ziehen können. Die Schädigungen bestehen aber zum größten Teil darin, daß die früher zahlungsfähigen armenischen Schuldner verschwunden sind oder ihr ganzes Vermögen eingebüßt haben. Als direkter Schaden kann das nicht betrachtet werden. Es fragt sich, ob wir trotzdem hierfür Ersatz beanspruchen sollen. Daneben bleiben nur die verhältnismäßig wenigen Fälle, wo deutsche Gläubiger ein Pfandrecht oder ein ähnliches Recht an einem Grundstück, an der Saat oder an einer Ware besessen haben und wo das Pfandobjekt beschädigt, vernichtet oder geraubt worden ist.

Von Verhandlungen mit der Türkischen Regierung über die einzelnen Schadensfälle verspreche ich mir keinen Erfolg. An ein schiedsgerichtliches Verfahren ist nicht zu denken. Es bestände nur die Möglichkeit, die Frage bei Gelegenheit der Abrechnung über unsere Vorschüsse zur Sprache zu bringen und eine Pauschalsumme zur Entschädigung der durch die Armenierumsiedelungen geschädigten Reichsangehörigen zu verlangen. Ich setze voraus, daß die Abrechnung überhaupt zur Regelung unserer Reklamationen gegen die Türkische Regierung wird benutzt werden können. Nach oberflächlicher Schätzung beträgt der in Rede stehende Schaden einschließlich desjenigen, der durch Verschwinden oder Verarmung der armenischen Schuldner verursacht ist:

bei der Deutschen Bank ..........................................................1500000 M
bei der Orientbank ..................................................................2000000 M
bei der Deutsch-Levantinischen Baumwollgesellschaft ................500000 M
und bei der Anatolischen Handelsgesellschaft ...............................20000 M

Die Schäden von Einzelfirmen lassen sich schwer schätzen. Im ganzen werden aber kaum mehr als 5 Millionen Mark erforderlich sein.

Allerdings müßten wir darauf gefaßt sein, daß unsere Feinde den Vorwurf erheben würden, daß wir, denen die Mitschuld an den Armeniergreueln zugeschrieben wird, auch noch einen Teil der Beute an uns reißen, während zur Linderung der Not unter den Armeniern selbst keine Staatsgelder vorhanden seien. Das brauchte aber für uns kein Grund zu sein, unsere Ansprüche fallen zu lassen.

Eine andere Frage ist es, ob es der Türkischen Regierung gelingen wird, von ihrem Parlament die Zustimmung zu der Ausgabe zu erlangen. Es ist indes anzunehmen, daß sie hierfür einen Weg finden würde. Einen Vorgang bildete die Regelung unserer Ansprüche aus Anlaß der früheren Armenierunruhen (Botschaftsbericht Nr. 2544 vom 22. Oktober 1902 und Erlaß Nr. 951 vom 20. Dezember 1902).

Euere Exzellenz darf ich bitten, mich wissen zu lassen, ob diese Behandlung der Angelegenheit in Aussicht genommen werden soll. Ich würde dann der Türkischen Regierung auf die Note vom 22. Dezember antworten, daß wir unsere Ansprüche, die sich nicht auf die Umsiedelungsmaßnahmen an sich, sondern auf die anerkanntermaßen dabei verübten Übergriffe von Regierungsorganen stützen, in vollem Maße aufrecht erhalten.


P. Metternich
Anlage

[Note der Türkischen Regierung an die Botschaft Konstantinopel]


Notice

Le 22 Décembre 1915

En réponse aux communications de l’Ambassade de Sa Majesté l’Empereur d’Allemagne datées des 3 Juillet, 13 Septembre et 16 Novembre 1915, Nos 6358 et 8972 et relatives au déplacement des arméniens, il est porté à sa haute connaissance ce qui suit:

En premier lieu il est à remarquer que les mesures prises à l’égard de la population arménienne de l’Empire rentrent dans le domaine des actes d’administration intérieure du pays; elles ne sauraient donc faire l’objet d’une démarche diplomatique fussent-elles de nature à toucher inévitablement aux intérêts des étrangers y établis. En effet, il est incontestable que tout Etat a le droit de prendre les mesures propres à enrayer un mouvement subversif propagé sur son territoire; surtout lorsque ce mouvement se produit en temps de guerre.

L’Ambassade de l’Empire Allié, dans son appréciation éclairée, a bien voulu du reste confirmer la justice de ce point de vue. C’est ainsi qu’elle a reconnu dans son memorandum du 3 Juillet, que les mesures de répression décrétées contre la population arménienne des provinces de l’Anatolie Orientale sont dictées par des raisons militaires et constituent un moyen de légitime défense. En effet partout où les mesures en question ont été appliquées, elles ont été provoquées par les mêmes motifs impérieux.

Pour ce qui est de la responsabilité des dommages que le commerce allemand aurait subis, le Gouvernement Impérial Ottoman ne peut que la décliner; car l’Ambassade de Sa Majesté l’Empereur voudra bien reconnaître elle-même que l’exercice d’un droit légitime ne peut donner lieu à une réclamation quelconque. On pourrait d’autant moins prétendre la responsabilité du Gouvernement Impérial que malgré les soucis de la défense nationale qui doit absorber toute son attention, il fait preuve d’une extrême vigilance afin de réduire aux minima les préjudices qui pourraient résulter du déplacement des personnes susindiquées. C’est dans cet ordre d’idées que la Loi provisoire du 17 Zilkadé 1333, contenant les garanties désirables pour la sauvegarde de tous les intérêts a été promulgée.

S’il importe de déterminer la responsabilité des dommages et perturbations – lesquels sont ressentis dans la vie économique ottomane dans une mesure incomparablement supérieure – elle ne doit en réalité, être attribuée qu’aux ennemies communs extérieurs qui ont provoqué et encouragé le mouvement révolutionnaire arménien dans l’Empire, ainsi que cela résulte des documents authentiques.

En ce qui concerne les considération de l’Ambassade Impériale relatives aux délais, la Loi du 17 Zikadé étant exécutoire depuis sa publication à l’égard de toute personne intéressée, les sujets étrangers devront s’y conformer aussi bien que les ottomans pour faire valoir leurs réclamations dans les délais imparties.

En conséquence de ce qui précède les réserves formulées par l’Ambassade Impériale d’Allemagne dans les communications susvisées des 3 Juillet, 13 Septembre et 16 Novembre ne peuvent qu’être déclinées.


[Eigene Übersetzung]

22. Dezember 1915

In Beantwortung der Noten der Botschaft seiner Majestät des Kaisers von Deutschland vom 3. Juli, 13. September und 16. November Nr. 3659 und 8972 und betreffend die Verschickung der Armenier wird zu ihrer hohen Kenntnis das Folgende erwidert:

Zuerst muß festgestellt werden, daß die Maßnahmen gegen die armenische Bevölkerung des Reichs eine innere Angelegenheit des Landes ist und deshalb nicht Gegenstand eines diplomatischen Aktes sein können, auch wenn sie unausweichlich die darin begründeten fremden Interessen berühren. Es ist ja unbestreitbar, daß jeder Staat das Recht hat, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um eine aufrührerische Bewegung, die sich auf seinem Territorium ausbreitet, einzudämmen, besonders wenn die Bewegung sich in Kriegszeiten ereignet.

Die Botschaft des verbündeten Reichs hat im übrigen in ihrer klaren Bewertung die Berechtigung dieses Standpunktes bestätigt. So hat sie in ihrem Memorandum vom 3. Juli anerkannt, daß die gegen die armenische Bevölkerung der ostanatolischen Provinzen verfügten Unterdrückungsmaßnahmen durch militärische Gründe diktiert waren und ein Mittel der legitimen Verteidigung darstellen. In der Tat waren die fraglichen Maßnahmen überall dort, wo sie ergriffen wurden, aus den gleichen zwingenden Gründen notwendig geworden.

Was die Verantwortung für die Schäden anbelangt, die dem deutschen Handel entstanden sind, so muß die kaiserlich-osmanische Regierung sie zurückweisen. Denn die Botschaft Ihrer Majestät des Kaisers möge anerkennen, daß die Ausübung eines legitimen Rechts nicht zu irgendwelchen Beanstandungen Anlaß geben kann. Man könnte um so weniger die Verantwortung der kaiserlichen Regierung behaupten, als sie trotz der Sorge um die nationale Verteidigung, die all ihre Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt, eine extreme Wachsamkeit an den Tag legt, um die Schäden, die aus der Verlegung der besagten Personen resultierten, auf ein Minimum zu beschränken. In diesem Sinne wurde das provisorische Gesetz vom 17. Zilkadé 1333 verkündet, das alle wünschenswerten Garantien für die Wahrung der Interessen enthält.

Wenn es geboten erscheint, die Verantwortlichkeit für die Schäden und Störungen - die sich in der osmanischen Wirtschaft ungleich stärker bemerkbar machen - festzustellen, dann muß sie in Wahrheit beim gemeinsamen äußeren Feind gesucht werden, der die armenische revolutionäre Bewegung im Reich geschürt und ermutigt hat, wie aus den authentischen Dokumenten hervorgeht.

Was die Überlegungen der kaiserlichen Botschaft zu den Fristen anbelangt, so gilt das seit seiner Publikation gültige Gesetzt von 17. Zikadé für alle interessierten Personen. Die Ausländer müssen sich dem ebenso fügen wie die Osmanen, um ihre Forderungen in den festgelegten Fristen geltend zu machen.

In Anbetracht des zuvor Gesagten können die von der kaiserlichen Botschaft in den obengenannten Schriftsätzen vom 3. Juli, 13. September und 16. November geltend gemachten Ansprüche nur abgelehnt werden.



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