1919-04-03-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/R14105
Zentraljournal: 1919-A-11239
Erste Internetveröffentlichung: 2003 April
Edition: Genozid 1915/16
Praesentatsdatum: 04/12/1919 p.m.
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 415
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Gesandte in Bern (Adolf Müller) an das Auswärtige Amt

Bericht



Nr. 415
Bern, den 3. April 1919.

4 Anlagen1

Auf Telegramm Nr. 388 vom 11. März d.J. A7280.

In der Anlage überreiche ich die gewünschte Äusserung des Legationsrats von Wesendonk über die Stellungnahme Dr. Ohandschanians zur Frage der deutschen Schuld an den Armenierverfolgungen.

Von anderer armenischer Seite, nämlich dem Arzt Dr. Scheridschian in Genf wird eben dieser Frage in einer „Riposte“ auf die Broschüre von Kara Schemsi „Les Turcs et la question d’Arménie“, die seinerzeit vorgelegt wurde, das Schlusskapitel gewidmet: „Complicité allemande“ (S. 42). Dr. Scheridschian führt darin angebliche Äusserungen des verstorbenen Botschafters Wangenheim und des Marineattachés Humann gegenüber dem amerikanischen Botschafter in Konstantinopel, Morgenthau, zum Beweise dafür an, dass man deutscherseits die Vernichtung des armenischen Volkes – also nicht blosse militärische Sicherung oder Repression – als Zweck der Deportationen erkannt und gebilligt hätte.

Zu dem Schlussabsatz der Äusserung des Herrn von Wesendonk möchte ich noch folgendes bemerken: Auch hier ist das scharf akzentuierte Wiederaufleben der armenischen Propaganda nicht nur in der Westschweiz, sondern auch in Basel und Zürich bemerkt worden – etwa seit Ende Februar -; besonders in der Form öffentlicher Versammlungen. Aus den dabei gehaltenen Reden ergibt sich, dass das Zusammentreffen mit der Diskussion über die künftige Gestaltung Armeniens auf der Pariser Friedenskonferenz nicht nur ein zeitliches ist. Die Empörung über die an den Armeniern während des Krieges begangenen Grausamkeiten glaubt es sich offenbar schuldig zu sein, die Vertreter dieses Volkes bei ihren weitestgehenden territorialen Forderungen blindlings moralisch zu unterstützen. Man gibt sich leider nicht Rechenschaft, dass eine Festsetzung der Grenzen des künftigen armenischen Staates nach den Wünschen seiner Pariser Delegierten (wobei auf türkischen Boden ungefähr 1 Armenier auf 5 Mohammedaner käme) das beste Mittel sein würde, die armenische Frage nicht zu lösen, sondern zu verewigen.

Als Material für die Beurteilung der deutschen Verantwortlichkeit an den Armenierverfolgungen in den Kreisen der Schweizer Armenierfreunde füge ich ferner eine vor kurzen in Genf im Druck erschienene Broschüre bei, die unter dem Titel „Miséricorde!’’ zwei im Herbst v. J. von einem in Basel gebildeten Frauenkomitee an den Papst und den Schweizer Bundesrat gerichtete Eingaben zugunsten der unterdrückten Völker der Türkei nebst Auszügen aus deutschen, neutralen und türkischen Zeugnissen enthält.

Der ungenannte Redaktor erhebt keine direkten Anschuldigungen gegen Deutschland, aber er lässt deutlich genug durchblicken, dass bei der ausschlaggebenden Stellung der deutschen militärischen Berater in Konstantinopel die grundsätzliche Beschlussfassung über die Massendeportationen zum mindesten nicht ohne ihre Duldung habe erfolgen können. So gefasst ist der gegen uns gerichtete Vorwurf immerhin gerecht genug, den Verdacht einer Mittwirkung deutscherseits bei den Einzelheiten der Ausführung von vornherein auszuschliessen. In einem gleichzeitig mit dem Buch im „Journal de Genève“ erschienenen „Basler Brief“ (offenbar vom gleichen Verfasser herrührend) geschieht dies ausdrücklich.

Bei voller Objektivität hätte sich nun allerdings der Autor von „Miséricorde“ damit begnügen müssen, die Frage nach der prinzipiellen Berechtigung von Ausnahmemassnahmen gegen die Armenier unter militärischen Gesichtspunkten bis zum Ergebnis einer späteren Untersuchung offen zu lassen. Denn er musste sich sagen, dass das ihm vorläufig zugängliche Material zur Beantwortung nicht ausreichte. Statt dessen stellt er immer wieder in der bestimmtesten Form (z.B. S. 12, 22, 40, 47-48, 75-81) die Behauptung auf, dass in der Mehrzahl der Fälle keinerlei strategische Gründe für die Evakuierung vorgelegen hätten, dass sich revolutionäre Tendenzen nur ganz vereinzelt gezeigt und dass die grosse Masse der armenischen Bevölkerung eine absolut loyale Haltung eingenommen hätte.

In diesem Punkte ist der Verfasser schon jetzt durch die eigenen Erklärungen der armenischen Delegierten in Paris widerlegt worden. Denn sie begründen ihre ausserordentlich hohen Ansprüche nicht zuletzt mit dem Hinweis auf die wertvollen militärischen Dienste, die die Armenier den Alliierten von Kriegsbeginn an geleistet hätten (in der russischen Armee allein 50000 „Freiwillige“ aus den türkischen Provinzen, die französische légion d’Orient zur grösseren Hälfte armenisch usw.). Es kann hier auch nochmals an eine gewichtige Stimme aus dem Ententelager erinnert werden, nämlich diejenige Pierre Lotis. Pierre Loti besitzt als Kenner der Verhältnisse und als Berufsoffizier, abgesehen von seiner Bedeutung als Schriftsteller, zweifellos einige Qualitäten für ein Urteil in der Frage. Eine Broschüre von ihm, die die Armenier durchaus als Rebellen charakterisiert, wurde kürzlich bereits vorgelegt. Der hier beigefügte Artikel aus dem „Figaro“ ist besonders deswegen interessant, weil Pierre Loti darin andeutet, dass er für seine Ansicht noch umfangreiche Unterlagen besitze, von denen er heute noch keinen Gebrauch machen könne.


Adolf Müller

Anlage 1

Abschrift.

Dr. Ohandschanian hat sich nur in dem von mir bereits vor längerer Zeit eingereichten Interview des „Journal de Genève“ über Deutschlands Schuld am Schicksal der Armenier ausgesprochen. Ich glaube auch nicht, dass er sich zu einer grösseren Hetze hergeben wird. Er war aber wohl genötigt, gegen Deutschland Stellung zu nehmen, weil es ihm sonst zweifellos nicht gestattet worden wäre, nach Paris zu fahren, wo er sich gegenwärtig noch aufhält. Dr. Ohandschanian hat mir selbst angegeben, wie man ihn mit Misstrauen aufgenommen habe. Die Berner Ententevertretungen haben sich anfangs geweigert, sich mit ihm überhaupt einzulassen. Diese Ablehnung erstreckte sich nicht nur auf ihn persönlich, sondern auf die ganze armenische Republik von Eriwan, die von der Entente als deutsche Gründung angesehen wurde, um die kaukasischen Armenier zu gewinnen und die armenischen Restaurationsbestrebungen von der Türkei abzulenken. Auch Boghos Nubar Pascha, das Haupt des Armenierausschusses in Paris, hielt sich zunächst von Ohandschanian fern. Als er sich Ohandschanian näherte, geriet er selbst bei der Entente in Misskredit.

Es ist daher begreiflich, dass Ohandschanian bemüht war, den Verdacht der Deutschfreundlichkeit zu zerstreuen. Auch darf nicht übersehen werden, dass er bei aller Anerkennung der späteren deutschen Bemühungen, das Schicksal der Armenier einigermassen zu erleichtern, der deutschen Regierung immer den Vorwurf gemacht hat, anlässlich der Batumer Vorgänge nicht genügend energisch auf die Türkei eingewirkt und das Vorgehen der Türken auf Alexandropel, die Hetze in den Tatarengebieten usw. verhindert zu haben.

Bei dieser Gelegenheit darf ich darauf hinweisen, dass in der Schweiz seit einiger Zeit wieder eine äusserst regsame armenische Agitation im Gange ist. Überall werden Vorträge, Wohltätigkeitsfeste und Versammlungen für das armenische Märtyrervolk abgehalten, die viel Zulauf haben, zumal dabei, wenigstens soweit die welsche Schweiz in Betracht kommt, die Deutschen und die Turco-boches ordentlich hergenommen werden.


[Wesendonk. 24.3.]

Anlage 2

„Le Figaro“ (3. April 1919)

Plaidoyer suprême pour les condamnés à mort


Pierre Loti nous demande la parole pour défendre une cause qui lui est chère. Comment la refuser à si illustre avocat? Lui plaidant, ce ne sont plus seulement les droits de la défense qu’il faut invoquer, mais ceux de génie littéraire.

Depuis la guerre de Crimée, qu’avons-nous fait pour les Turcs autre chose que marcher avec leurs pires ennemis, exiger d’eux des concessions excessives, et, qui plus est, les insulter à jet continu dans tous nos journaux de la façon la plus révoltante?

Et après tout cela, nous avons la naïveté de nous indigner de ce que ces pauvres alliés de jadis, fidèles depuis François Ier, mais reniés aujourd’hui par nous et trouvant une occasion sans doute unique d’échapper à la menace séculaire d’écrasement par le colosse russe, se soient jetés dans les bras de l’Allemagne! Qu’est-ce qu’ils nous devaient, s’il vous plaît? Comme circonstance atténuante à leur manœuvre de désespoir, il est de toute justice de rappeler aussi que ce comité «jeune-turc», responsable de tout, ne représentait en Turquie qu’une minorité intime, entièrement sous la griffe allemande, - comité qui, du reste, sur ses vingt-cinq membres, comprenait à peine cinq véritables Osmanlis, les autres étant des métèques de toute provenance, Grecs, Crétois, Juifs, Arméniens, etc., etc.

«Aux parties du présent empire ottoman, seront assurées pleinement la souveraineté et la sécurité», avait dit M. Wilson dans l’article 12 de son programme, lequel programme avait été accepté et contresigné par toutes les puissances de l’Entente. Mais la calomnie levantine a réussi à parfaire son oeuvre; il est maintenant admis en Occident, même chez nous, que les Turcs sont des parias hors la loi et que leurs ennemis seuls ont le droit d’être entendus à la Conférence de la paix. Est-ce que, dans leur malheureux pays, ils ne constituent pas une supériorité numérique écrasante, une communauté absolue de religion et de langage, et aussi d’honnêteté! Vraiment, nous devrions craindre de les pousser aux actes désespérés et de seconder ainsi le jeu de ces «agents provocateurs» à gages, qui continuent chez eux d’ignobles manoeuvres.2

Que, pendant la guerre, ils aient eu pour les nôtres des égards exceptionnels, il n’y a plus que les hommes de mauvaise foi pour oser le contester. Et voici notre remerciement! Pauvres Turcs! Dans leur stupeur et leur désespoir ..... [einige Zeilen unlerserlich] ...... et du reste se déchirent les uns les autres. Sans plus rien espérer, je veux cependant citer la plus récente dépêche qui m’arrive d’un de leurs importants comités de défense:

« Nous tournons vers vous nos regards suppliants dans la détresse que nous cause le sort réservé par la Conférence de la patrie turque, contrairement aux principes élevés de justice proclamés par l’Entente. Espérant quand même que la grande nation française ne voudra pas souscrire à une iniquité si criante, nous vous conjurons d’en appeler à sa générosité, pour savoir si les descendants de François Ier approuvent réellement sans pitié le sort infligé aux fils de Soliman.»

La générosité, disent-ils! Mais, en politique, la générosité, cela ne se porte plus, même dans notre chère France, qui est de toutes les nations la plus généreuse. Hélas! hélas! mon humble voix ne peut rien, même pas mettre uns sourdine au tollé d’insultes qui monte de partout contre cette Turquie agonisante; c’est pourtant si peu chevaleresque, si peu français, quand il s’agit de vaincus aux abois! Oh! je le sais bien, ceux qui les injurient sont des hommes qui n’ont jamais mis le pied en Orient, des hommes que de vieux préjuges aveuglaient et qui, - de bonne foi, je ne veux pas en douter, - se laissent encore monter la tête par les agents d’une propagande enragée. Le plus souvent aussi, se sont de purs Arméniens, et alors que prouvent leurs dires intéressés? Mais quand même cela porte sur les masses, qui n’ont ni le temps ni la ferme volonté de se documenter davantage.

J’ai entre les mains d’accablants dossiers, contrôlés, signés et contresignés, sur les agents provocateurs de massacres, et sur les agissements des Arméniens en Asie, au début de la guerre mondiale; ils étaient alors sujets ottomans, on les laissait parfaitement tranquilles à ce moment-là, et pourtant ils n’hésitèrent pas à courir au-devant des armées de l’invasion russe, à servir d’espions et de pisteurs; dans les villes et les villages, non seulement ils désignaient aux envahisseurs les maisons turques, mais ils étaient les premiers à incendier, torturer, massacrer à tour de bras. Quel est donc le peuple au monde qui n’aurait pas réprimé violemment de telles forfaitures, commises dans son sein et en pleine guerre?

Pour finir, je voudrais demander à mes compatriotes une seule chose: si des considérations supérieures que je n’ai pas à apprécier nous forcent de souscrire à l’arrêt de mort de ces Turcs, qui auraient pu redevenir pour nous de si précieux alliés, au moins écoutons avec un peu plus de confiance les innombrables voix de tous nos officiers ou soldats revenus d’Orient; j’ai, par centaines, leurs lettres spontanées, qui sont si sévère pour les Levantins et si affectueuses pour les Turcs, pour les Turcs seuls. Je citerai de l’un d’eux cette phrase textuelle, qui, par sa forme, m’a amusé au milieu de mon angoisse: «Oh! là là! Les férocités turques, les massacres d’Arménie, nous avait-on assez bourré le crâne avec ce bateau-là!» Et tous racontent les égards dont les Turcs entouraient nos prisonniers et nos blessés. «Ils nous laissaient aller relever nos hommes tombés entre les lignes, ce qu’aucun autre belligérant n’êut jamais fait. Aux Dardanelles, quand ils devaient bombarder un fort, où nous avions une ambulance, ils nous avertissaient l’avant-veille, pour nous laisser le temps de tout évacuer. Etc., etc...» Et tous ont signé, donnant leur adresse et me priant de ne pas hésiter à les appeler en témoignage.

Oh! avec quelle émotion j’ai lu la longue lettre de l’un de nos héroïques lieutenants de vaisseau! Quand le glorieux navire qu’il commandait là-bas, percé de part en part, eut coulé, en gardant haut son grand pavillon de France, grièvement blessé lui-même, il se dirigea vers la terre, à la nage, soutenu par des épaves, à la suite de ce qui restait de ses matelots ensanglantés et presque mourants. Les Turcs alors, au lieu de les mitrailler à la manière boche, leur indiquèrent la plage où accoster; n’ayant point de barque à leur envoyer, ils entrèrent dans l’eau pour les aider et les soutenir. L’officier turc qui commandait le détachement, après avoir salué et tendu amicalement la main, fit rendre les honneurs militaires à tous, jusqu’au plus humble des matelots, et leur exprima en français son regret profond d’avoir été obligé de tirer sur le pavillon tricolore. Nos hommes, exténués de froid et de souffrance, furent réchauffés, réconfortés, vêtus, pansés avec des soins fraternels. Un peu plus tard, il est vrai, comme on les conduisait à une ville proche où était l’ambulance, des groupes vociférants sortirent à leur rencontre, et le lieutenant de vaisseau se plaignit à son nouveau camarade turc: «Oh! répondit celui-ci - en les écartant avec une cravache, - mais regardez-les: ce sont presque tous des Grecs!»

Et maintenant j’ai dit à peu près tout ce que ma conscience a le droit de dire en ce moment, mais je l’ai dit sans espoir. Donc, j’ai fini, je me retire dans l’ombre, en haussant les épaules devant les insultes. La lutte, hélas! est par trop inégale, et la cause est perdue! Plus tard seulement, quand cela me sera permis, je produirai dans un livre des documents irréfutables.


Pierre Loti



1Bei der Akte befindet sich nur der Bericht Wesendonks sowie der Artikel von Pierre Loti.
2On sait qu’à Constantinople notre général Franchet d’Esperey vient de traduire en Conseil de guerre le général Liman von Sanders pour avoir été l’homme qui a ordonné les derniers massacres d’Arméniens. On sait aussi, et des Arméniens le disent eux-mêmes, que plusieurs Turcs ont risqué leur situation et leur vie pour essayer d’arrêter ces crimes.



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