1914-10-16-DE-001-V

DuA Dok. 011 (gk.)

Der Konsul in Aleppo (Rößler) an den Reichskanzler (Bethmann Hollweg)

J. No. 2480

Abschrift


Aleppo, den 16. Oktober 1914.

Wie mir deutsche Missionarinnen aus Marasch erzählen, ist der bisher noch immer durchgesetzte aktive und passive Widerstand der Bewohner von Zeitun gegen die Einstellung der Dienstpflichtigen dieser armenischen Stadt in die Armee von türkischer Seite nunmehr gebrochen worden. Ihr Anführer Nazar Tschausch, das Haupt der schon seit Monaten in den Bergen umherstreifenden Deserteure, der sich mit der Zeit zu einem Räuberhauptmann entwickelt hatte und wegen seiner Willkür von den Armeniern selbst als Plage empfunden wurde, ist etwa Anfang Oktober von den türkischen Truppen durch List und Wortbruch gefangen und in der grausamsten Weise zu Tode gemartert worden.

Die Bewohner von Zeitun schreiben es deutschen Offizieren zu, daß mit der Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht auch in ihrer Stadt Ernst gemacht worden ist und schmähen den deutschen Namen. Die scharfe Antipathie gegen Deutschland zu nähren, welche auch die armenische Bevölkerung von Marasch ganz überwiegend zeigt, tat der französische Vizekonsul dortselbst sein möglichstes. Auch die amerikanische Mission, welche die unsrige als einen unbequemen Mitbewerber empfindet, arbeitet sicherlich nicht darauf hin, freundliche Stimmung in der Bevölkerung für uns zu erwecken. In der Deutschen Mission sind nur Frauen geblieben. - Unter diesen Umständen würde ich es dankbar empfinden, wenn mir von der Kaiserlichen Botschaft Flugschriften über den Krieg und aufklärende Artikel in türkischer Sprache zur Verteilung in Marasch zur Verfügung gestellt werden könnten. Die Aufklärungsarbeit, welche von diesem Konsulat in Aleppo geleistet wird, benützt die arabische Sprache, die in Marasch nicht mehr verstanden wird.


Rößler.

Seiner Exzellenz dem Kaiserlichen Botschafter

Herrn Freiherrn v. Wangenheim.


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