1916-02-19-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/BoKon 98/Bl. 138
Botschaftsjournal: 10-12/1916/2107
Erste Internetveröffentlichung: 2010 April
Edition: Deportationsbestimmungen
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Armenier H. Antreassian an den Botschaftsrat Neurath in Konstantinopel

Schreiben


Haidar Pascha den 19.II.1916

Ich beziehe mich höflichst auf die Unterredung, welche ich gestern mit Ihren Herrn v. Scharffenberger [Scharfenberg] zu führen die Ehre hatte und gestatte ich mir nachstehend meine vorgetragene Bitte noch einmal schriftlich zu wiederholen.

Mit Ihrem sehr geschätzten Schreiben Nr. 5016 vom 29. Juni v.J. hatten Sie die Liebenswürdigkeit mir unter anderem mitzuteilen, dass die Angelegenheit des Herrn Krikor Balakian Ihrerseits dem Ministerium des Innern zu wohlwollender Berücksichtigung empfohlen worden ist. In der Tat, kurze Zeit darauf, erfuhr ich, dass nach einer genauen Untersuchung, die Schuldlosigkeit des Herrn Balakian festgestellt und ihm freigelassen wurde seinen Aufenthalt beliebig zu wählen, mit der Beschränkung, dass er nur nicht nach Konstantinopel kommen dürfe. Seitdem befindet sich Herr Balakian in Tschangri in Freiheit. In der letzten Zeit ist er jedoch derartig erkrankt, dass eine besondere ärztliche Behandlung und Pflege notwendig ist. Da es im Innern von Klein-Asien an guten Ärzten und Arzneimitteln fehlt, bitte ich sie höflichst, gelegentlich, bei S.E. Talaat Bey die Erlaubnis zu erwirken, dass Herr Balakian, wenn auch für eine kurze Zeit, unter dem Schutze der Regierung, nach hierher zu seiner Mutter zurückkehren und sich in ärztliche Behandlung begeben kann.

Auch meine Eltern und Verwandten sind s. Zt. aus ihrem Heimatort Ordou (am Schwarzen Meer) deportiert und in den südöstlichen Teil von Klein-Asien zerstreut worden. Ich wandte mich sofort an S.E. Enver Pascha, den ich s.Zt. als Militärattaché in Berlin gut kannte und ihm sehr nahe stand, und bat ihn um seinen Schutz für meine unglücklichen, verfolgten Angehörigen. Er war so liebenswürdig und hat sofort S.E. Talaat Bey empfohlen meine Eltern, Schwester und Schwager nebst Kinder nach hierher kommen zu lassen. Ausserdem wurde ein Gesetz veröffentlicht, wonach Angehörige von Eisenbahnbeamten von Verfolgungen ausgeschlossen bleiben sollten. Die vom Ministerium des Innern angestellten Recherchen, um zunächst den Aufenthaltsort der Betrefenden festzustellen, blieben fruchtlos. Der Grund war jedenfalls darin zu suchen, weil alle diese Vertriebenen, unter einem gewissen Drucke, zu Muhammedanern geworden waren und türkische Namen angenommen hatten. Es wurde mir nunmehr vom Ministerium des Innern anheim gestellt, selbst zu ermitteln, wo sich meine Angehörigen befinden, damit sie nach hierher gebracht werden könnten. Nach mehrmonatlichem Suchen gelang es mir endlich festzustellen, dass sich mein Vater, Ovaghin Antréassian, allein in Hüssni-Manssour befindet und den neuen türkischen Namen Antréas Oglou Ali Agha trägt. Ich teilte dieses sofort, noch vor seiner Abreise dem Herrn Kriegsminister mit, der seinerseits, durch seinen Adjutanten Herrn Kiazim Bey S.E Talaat Bey verständigte. Nachdem die Angelegenheit nunmehr soweit gediehen ist, wollte ich Sie herzlichst bitten, bei der nächsten Gelegenheit S.E. Talaat Bey noch einmal daran zu erinnern und zu erwirken, dass mein Vater, unter dem Schutze der Regierung und mit einer entsprechenden Bescheinigung versehen von Hussni-Manssour über Urfa und Harran nach der nächstgelegenen Eisenbahnstation der Bagdadbahn, Tell Ebiad gebracht wird, von wo ich ihn durch die Direktion unserer Bagdadbahn-Gesellschaft kostenlos bis nach hier bringen lassen kann. Der persönliche, militärische Adjutant des Herrn Ministers des Innern, Herr Ömer Bey, ist in alle Details dieser Angelegenheit bestens unterrichtet, da ich mehrere mal, in Begleitung meiner Frau bei ihm im Ministerium war und er uns jedesmal versprochen hat in der Sache tätig zu sein und die nötigen Schritte zu veranlassen.

Überzeugt, dass Sie meine Bitte wohlwollend aufnehmen und das Ergebnis Ihrer eventuellen Besprechung mit S.E. Talaat Bey mir mitteilen werden, bitte ich Sie, meinen herzlichsten Dank empfangen zu wollen.


Mit vorzüglichster Hochachtung
Ihr ganz ergebener
H. Antréassian
Ingenieur bei der Anatolischen Eisenbahn-Ges.



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