1915-10-28-DE-002
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Quelle: DE/PA-AA/BoKon/97
Zentraljournal: 1915-A-31256
Botschaftsjournal: 10-12/1915/9855
Erste Internetveröffentlichung: 2003 April
Edition: Genozid 1915/16
Zustand: B
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Vorstand der Deutschen Orient-Mission an das Auswärtige Amt

Schreiben



Potsdam, den 28. Oktober 1915.

Abschrift.

A 31256.

Bereits am zweiten Oktober erhielten wir durch unsere Baseler Freunde die Mitteilung, daß in Urfa, im Zentrum unserer deutschen Arbeit in Mesopotamien, Mitte September ein Massakre stattgefunden habe, daß die Männer der Stadt, wie an anderen Orten des Wilajets, auch dort abgeschlachtet, und die Frauen und die Kinder, soweit sie nicht in Harems verschleppt wurden, in die Steppe getrieben worden sind. Diese Tatsache wird indirekt durch die Mitteilung der Türkischen Botschaft vom 27. Oktober, die heute durch die Presse läuft, bestätigt. Wir unterlassen es, für jetzt, bis wir detaillierte Nachrichten haben, uns über den Inhalt des türkischen Communiqués zu äußern. Es hat in den 18 Jahren, in denen unsere Mitarbeiter in Urfa gelebt und gearbeitet haben, dort keinerlei revolutionäre Bewegung gegeben.

Wir bitten das Auswärtige Amt, durch das Konsulat in Aleppo Nachrichten über unsere Mitarbeiter in Urfa und die deutschen Besitztümer einzufordern. Außer der Familie des Direktors unseres Waisenhauses, des Herrn Franz Eckart, dessen Frau, Bruder und Schwester und sechs Kindern stehen an Europäern in unseren Diensten die Waisenmutter, Fräulein Karen Jeppe, eine Dänin, und der Diakon unseres deutschen Krankenhauses, Herr Jacob Künzler mit Frau und fünf Kindern, ein Deutsch-Schweizer. (Der Chef der Klinik, Dr. Andreas Vischer mit Frau und zwei Kindern ist zur Zeit nicht in Urfa). Die deutschen Besitztümer bestehen aus dem Anwesen der deutschen Teppich-Manufaktur, dem Krankenhaus und den Wohnhäusern von Herrn Eckart, Fräulein Jeppe, Dr. Vischer und Diakon Künzler. In der Mitteilung der Türkischen Botschaft sind weder deutsche Niederlassungen, noch deutsche Staatsangehörige genannt.

An „fremden Niederlassungen“, die erwähnt sind, existieren in Urfa nur noch das Anwesen der Amerikaner und eine Schule französischer Nonnen. Der Zusammenhang schließt es nicht aus, daß deutsche Anwesen demoliert wurden.


Der Vorstand der Deutschen Orient Mission.
Der Direktor: gez. Roedenbeck, Superintendent der Diözese Potsdam I.

Anlage

„Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ (28.10.1915)


Berlin, 27. Oktober. Die Kaiserlich türkische Botschaft teilt mit: In der Nacht vom 16. September haben armenische Banden einen Aufruhr veranstaltet. Sie hatten sich in starken Gebäuden auf den beherrschenden Punkten der Stadt Urfa verschanzt und eröffneten das Feuer gegen unsere Gendarmeriepatrouillen, von denen zwei Mann getötet und acht verwundet wurden. Unsere Gendarmerie wurde überall mit Feuer empfangen. Nachdem die Armenier sich der fremden Niederlassungen bemächtigt und deren Besitzer mit Gewalt zurückgehalten hatten, stellten sie dort Schießscharten her. Da diese Tatsachen bewiesen, daß die aufrührerischen Banden entschlossen waren, bewaffneten Widerstand zu leisten und die Unzulänglichkeit der in geringer Zahl vorhandenen Gendarmerie auszunützen, und da sie sich schließlich der Stadtteile der Muselmanen bemächtigt hatten und die Einwohner niederzumetzeln begannen, wurden einige für die Front bestimmte Truppen nach Urfa abgeschickt. Die Schlupfwinkel der Banden wurden zerstört und der Aufruhr war am 3. Oktober unterdrückt. Die Zahl der bei diesem Vorfall getöteten Soldaten und Gendarmen beträgt 20, die der Verwundeten 50.

Der Zweck, den die Banden mit ihrem Aufruhr verfolgten, war einerseits der, Schaden anzurichten, fremde Niederlassungen zu zerstören und Untertanen der mit der Türkei im Kriege befindlichen Staaten zu töten, um die Folgen dieser Morde dann auf die Türken abzuwälzen, andererseits wollten sie einen Teil der Kaiserlichen Truppen an ihre befestigten Schlupfwinkel fesseln und sie so vom Kriegsschauplatz abziehen.

Dank den kräftigen und schnellen Maßnahmen der Kaiserlichen Behörden hatte der Aufruhr nicht den erwünschten Erfolg. Er wurde unterdrückt, ohne daß einem Untertanen der mit der Türkei im Kriege befindlichen Länder oder einem Neutralen Schaden zugefügt worden ist.


[Auswärtiges Amt an Botschaft Konstantinopel (Nr. 822) 3.11.]

Abschriftlich Seiner Hochwohlgeboren dem Kaiserlichen Geschäftsträger Herrn Freiherr von Neurath, Konstantinopel, mit der Bitte um gefällige weitere Veranlassung und Äußerung ergebenst übersandt.


[Botschaft Konstantinopel an Konsulat Aleppo (Nr. 126) 15.11.]

Bitte Drahtbericht über Zustand der Besitztümer der Deutschen Orient Mission in Urfa (Krankenhaus, Waisenhaus, Wohnhäuser des Personals, und Teppichmanufaktur) namentlich ob diese bei den jüngsten Ereignissen demoliert oder sonst beschädigt sind.



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