1916-07-04-DE-002
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Quelle: DE/PA-AA/BoKon/173
Zentraljournal: 1916-A-17310
Botschaftsjournal: A53a/1915/1979
Erste Internetveröffentlichung: 2003 April
Edition: Genozid 1915/16
Laufende Botschafts/Konsulats-Nummer: Nr. 621
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Das Auswärtige Amt an den Botschafter in außerordentlicher Mission in Konstantinopel (Wolff-Metternich)

Erlaß



Nr. 621
Berlin, den 4. Juli 1916
1 Anlage.

Der abschriftlich anliegende von Herrn Professor Hartmann verfasste Bericht über das von der hiesigen türkischen Botschaft der Nachrichtenstelle für den Orient übersandte Buch des Generals Mayewski über die armenischen Massakers wird Seiner Exzellenz dem Kaiserlichen Botschafter Herrn Grafen Wolff-Metternich, Pera, zur gefälligen vertraulichen Information ergebenst übersandt.


Anlage

Abschrift der Anlage zu A 17310.

Bericht.

Von der türkischen Botschaft hier ging der Nachrichtenstelle zu:

Les Massacres d’Arménie – d’après les constatations authentiques du: General russe Mayewski Consul Général de Russie à Van puis à Erzerum soigneusement transcrit de son rapport portant le titre de: Statistique des provinces de Van et de Bitlis – Fragments photographiques et traduction – L’original a été publié en nombre limité par l’Imprimerie Militaire à Petersbourg. 1916.

Es handelt sich um einen Auszug aus der Originalarbeit des Generals. Dieser Auszug ist wenig befriedigend. Es sind im russischen Text 212 Sätze (der französische ist nicht nummeriert) in Länge von einer Zeile bis zu 30 Zeilen; es fehlen aber Nummern, es wird z.B. unmittelbar von 168 auf 174 übergegangen. Der französische Text, der dem russischen gegenübersteht, stimmt nicht mit dem russischen überein: er ist viel kürzer als dieser, andererseits enthält er Stücke, die im russischen Texte fehlen, z.B. S.15 und 17: Zwei Berichte von Cambon (vom 27. März und 3. Juni 1894): Mehrfach finden sich im russischen Text Anmerkungen intimen Charakters, die im französischen fehlen. Die Berichterstattung geht bis in das Jahr 1890 zurück (S.21) sie geht nicht hinaus über 1897 (S.94) gelegentlich 1902 (S.59). Das nur in französischer Sprache gegebene Vorwort beleuchtet den Charakter der Arbeit so (Auszug):

„Diese Arbeit ist eine militärische Statistik der Provinzen Van und Bitlis für den russischen Generalstab; ein besonderes Kapitel ist der Bevölkerung gewidmet, besonders den Beziehungen zwischen Kurden und Armeniern. Wenn der Verfasser von den armenischen Revolutionären spricht, ist sein Verdammungsurteil scharf. Der General schreibt die Verantwortlichkeit für das Unglück, das über die türkischen Armenier hereingebrochen ist, in erster Linie den Revolutionären der politischen Komitees zu, in zweiter Linie England, das sie ermutigte; er stützt sich hauptsächlich auf Blue Books und auf das Livre Jaune. Die Behauptungen des Generals dürfen nicht als parteiisch gelten, da er sich nicht an das Publikum wendet, sondern für den Generalstab schreibt. Gewissenhaft und mit seltenem Freimut entwickelt er seine Überzeugung, die er aus vollkommen frei an Ort und Stelle angestellten Erhebungen gewonnen hat.“

Die Schrift verfolgt offensichtlich das Ziel, die Christen der Türkei allein als die Schuldigen hinzustellen (S.71) „en orient ce ne sont pas les musulmans qui sont les barbares, mais bien les chrétiens“; Ferner werden die Kurden hingestellt als die, die den Armeniern nichts zu Leide getan haben, vielmehr sie öfters geschützt haben (S.75 und oft); ferner: Die Armenier selbst werden als zum Teil ruhige, verständige, friedliche Staatsangehörige hingestellt, besonders die katholischen Armenier, die als Katholiken weniger von der nationalen Propaganda berührt wurden (S.62). Endlich wird den Engländern die Verhetzung des Volkes schuld gegeben und die Unterstützung der Revolutionäre (S.29 ff).

Man versteht nicht recht, was diese Agitationsschrift gegenwärtig soll, denn Vorgänge, die 20 Jahre zurückliegen, können nicht ernsthaft zur Erklärung der Gegenwart herangezogen werden.

Das Ganze macht den Eindruck eines ungeschickten Versuches, das Verhalten der türkischen Regierung bei den grossen Metzeleien 1895/96 zu entschuldigen, und zwar durch den Mund eines Russen. Die aus dem Zusammenhang gerissenen Stücke aus dem russischen Text beweisen nichts (möglicherweise sind auch in ihnen Fälschungen vorgenommen). Der französische Text ist wertlos.

[M. Hartmann]



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