1916-03-27-DE-003
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Quelle: DE/PA-AA/BoKon 100/Bl. 36-39
Botschaftsjournal: 10-12/1916/4244
Erste Internetveröffentlichung: 2010 April
Edition: Deportationsbestimmungen
Zustand: A
Letzte Änderung: 03/23/2012


Der Genfer Pfarrer Adolf Hoffmann an die deutsche Botschaft Konstantinopel

Schreiben


Genf Varembe 27/ März 1916

Ew. Exzellenz

wollen gütigst gestatten, daß ich mich im Namen einer in Lausanne sich zur Zeit aufhaltenden, kranken armenischen Frau, Isgoohi Fermanian an Sie wende.

Ich kenne diese Frau persönlich, sie war in unserem Hause hier in Genf. Sie ist Protestantin und gehörte zu der evangelisch-armenischen Gemeinde in Marsovan, an der vor Jahren mein eigener Schwager Garabed Thoumayan Pastor war. Als die Verfolgung der Armenier im Juni vorigen Jahres auch über Marsowan hereinbrach, gelang es ihr mit ihrem Manne, Hovagim Fermanian nach Constantinopel zu entfliehn. Von da gelangte sie mit Hilfe einiger Freunde nach Sofia und von dort kam sie vor einigen Monaten nach Lausanne, begleitet von einem armenisch-protestantischen Pastor, der mir persönlich befreundet ist.

Nun liegt die arme Frau krank in Lausanne und sehnt sich nach ihrem Manne. Beifolgender von Lausanne aus am 25. v.M. mir zugesandter Brief bezeugt ihre traurige Lage.

Ich schrieb bereits vor etwa 2 Monaten einen Brief nach Constantinopel, an den dortigen deutschen Pfarrer gerichtet, mit der Bitte, sich nach dem p. Fermanian umzusehn und zu versuchen, daß ihm die Reise nach Lausanne von der Türkischen Behörde gestattet würde. Ich bekam bis jetzt keine Antwort. Es scheint, daß der Brief überhaupt nicht an seine Adresse gelangt ist.

Darum wage ich es, mich mit diesem Schreiben an Ew. Exzellenz zu wenden, ob es Ihnen nicht möglich wäre, zu erwirken, daß dem Herrn Fermanian die Reise zu seiner kranken Frau gestattet würde.

Wir wissen seine Adresse in Constantinopel nicht, sie ist aber leicht zu erfahren durch das Bureau der amerikanischen Missionsgesellschaft, an welcher Mr. Peet der Cassierer ist. Herr Fermanian steht mit ihm in Verbindung.

Wenn es Ew. Exzellenz gelänge, den Wunsch der armen Frau Fermanian zu erfüllen, so würden Sie den beiden Eheleuten eine sehr große Wohltat geleistet haben und ich wäre mit derselben Ihnen zu größestem Danke verbunden.

Hochachtungsvoll und ergebenst verbleibe ich


Ew. Exzellenz
……
Adolf Hoffmann
Pastor a.D. früher Pfarrer der deutschen lutherischen Kirche in Genf.

[Notiz Mordtmann 17.4.]


Es gibt VA. von Anf. März d.Js. (Schreiben des Gfn. Lüttichau, mit Vfg. vom 10/3) bitte sie beizufügen.

Anlage

Sonnabend 25/3.16. Lausanne.

Herr Pastor Hoffmann.

Wie Ihre gute liebe Frau Gemahlin mich besuchte, habe ich ihr von meiner Krankheit erzählt. Deshalb um Ihnen die Mühe nicht zu geben, meine traurige Geschichte zu lesen, sage ich nur dass ich eigenes, meiner Gesundheit wegen in die Schweiz gekommen sei. Hier sowie in Konstantinopel sagen mir die Ärzte, das ich mich operiren lassen muss, denn ohne Chirurgische Hilfe werde ich nie gesund.

Lieber Herr Pastor wie kann ich aber das thun während dem ich ganz allein hier bin - ich weiss sehr gut was es heisst sich operiren zu lassen, ich zitterte vor Angst, und meinte es wäre besser zu sterben, wie man mir davon gesprochen hat, sehe aber jetzt ein, das ich nicht sterbe sondern leide nur immer weiter, und meine Bekannten sagen je länger ich warte desto schwerer wird dann die Operation sein.

Vor Jahren wie ich operirt wurde, hatte ich Mann, Bruder und Schwester um mich herum. Sie pflegten und gaben mir Kraft meine Schmerzen zu ertragen. Jetzt bin ich gar so allein.

Lieber Herr Pastor könnten Sie nicht einrichten mein Gemahl hieher kommen zu lassen, sobald ich gerettet wäre könnte er ja sofort wieder zurück gehen. Wenn Sie mir behülflich sein könnten soll der liebe Gott Sie für immer segnen, ihrer Frau Gemahlin und Kinder Gesundheit und Glück spenden.

Meine Empfehlungen an Frau Hoffmann und bitte mir gleich zu schreiben was Sie am besten für mich denken und rathen.


Ihre dankbare
Isgoohi Fermanian
in Lausanne Grand Chêne 14.
[Botschaft Konstantinopel an Gesandtschaft Bern 20.4.]
Pera, den 20. April 1916.

Dem Pastor d.D. Adolf Hoffmann in Genf Varembe bitte ich mit Bezug auf seine durch Vermittlung der Kais. Gesandtschaft hierher gelangte Eingabe vom 27. v. Mts. mitzuteilen, daß ich zu meinem Bedauern nicht in der Lage bin, die erbetene Verwendung der Kais. Botschaft für den Hovagin Fermanian eintreten zu lassen.

Auf Veranlassung des P. Hoffmann hatte sich bereits Ende Februar der Kais. Botschaftsprediger Gf. Lüttichau in der gleichen Sache an die Kais. Botschaft gewandt; aus dem Bescheide, der damals dem letzteren erteilt wurde, darf ich hier das Folgende wiederholen, was auch jetzt noch zutrifft:

„Man ist in letzter Zeit mit zahlreichen Gesuchen ähnlicher Art an uns herangetreten, wir haben aber grundsätzlich nur solche vertreten, bei denen deutsche Interessen in Frage kamen. Auch in solchen Fällen haben die türkischen Behörden, die über die Paßgesuche zu entscheiden haben, sich stets ablehnend verhalten. Endlich ist nicht zu verkennen, daß wir, wenn wir uns für die Gesuchsteller interessieren, eine gewisse Verantwortung für deren Wohlverhalten übernehmen, während uns nach Lage der Sache jede weitere Kontrolle über die betreffenden Personen fehlt, namentlich wenn sie sich - wie im vorliegenden Falle - nach dem Auslande begebe.


Metternich
[Notiz Mordtmann]

Für die Ablehnung des Gesuches kommt jetzt noch die Verbindung des P. Hoffmann mit dem Garabed Thoumajan hinzu, der ausschließlich für England arbeitet.



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