1915-08-06-DE-012
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Quelle: DE/PA-AA/BoKon/170
Botschaftsjournal: A53a/1915/4647
Erste Internetveröffentlichung: 2000 März
Edition: Genozid 1915/16
Zustand: A
Letzte Änderung: 04/22/2012


Aufzeichnung des Marine-Attachés Humann über ein Gespräch mit Enver





Gespräch Humann-Enver 6.8.15.

3)[Dieser Teil der Mitteilung von Humann - die anderen befinden sich nicht bei den Akten - ist nach der leicht abweichenden Fassung im Jäckh-Nachlaß ein Auszug aus einem Interview eines P.W. mit Enver.] Anknüpfend an die Anwesenheit des Dr. Lepsius vom deutschen-armenischen Komitee erwähnt Enver einen ihm bekannt gewordenen Bericht eines amerikanischen Konsuls an den hiesigen Botschafter der Vereinigten Staaten. Der Konsul kommt darin zum Resultat, dass die amerikanische Regierung gut tun würde, ihre Armenier-Politik ein für alle mal aufzugeben, da die Türken durch ihr Vorgehen gegen die Armenier jede weitere politische Aktion mit diesen unmöglich gemacht hätten. Man habe die Armenier nicht ausgerottet, was vom politischen Gesichtspunkt aus noch nicht das Schlimmste gewesen wäre, denn bei solchen Massacres bliebe immer noch ein kleiner Stamm übrig, auf den man alle späteren Hoffnungen aufbauen könnte. Man habe sie statt dessen - was vom politischen Gesichtspunkte aus viel schlimmer ist! - über das ganze Land zerstreut, so dass sie wohl oder übel in das türkische Element des Landes aufgehen müssen. Damit sei die Grundlage für eine aussichtsvolle Armenierpolitik ohne weiteres aus der Welt geschafft worden.

Enver erzählt weiter von den vielfachen Warnungen, die er dem armenischen Patriarchen zu Beginn des Krieges hat zukommen lassen und weist gleichzeitig auf das Lob hin, das kürzlich Sassonow in der Duma den "treuen" Armeniern in der Türkei gespendet hat.

Die Armenier, verleitet und aufgestachelt durch russische Agenten, haben so gründlich gegen die ottomanische Bevölkerung gewütet, dass von den l50000 Türken, die früher das Wilajet Wan aufzuweisen hatte, nur noch 30000 Muhammedaner am Leben sind.

Enver ist ferner eine Verschwörung bekannt, nach welcher die etwa 30000 Armenier der Gegend von Adabazar-Ismid eine russische Landung bei Sakaria unterstützen wollten.

Er selbst hat im Ministerrat den Standpunkt vertreten, dass man gerade mit Rücksicht auf den Krieg den Versuch machen müsse, mit den Armeniern gut und friedlich auszukommen. Er hat auch dieses dem Patriarchen gesagt jedoch zugleich mit dem Hinweis, dass er beim geringsten Vorkommnis in den östlichen Armenierzentren mit den drakonischen Massnahmen einschreiten würde. Das Heer, das im Kaukasus gegen einen mächtigen Feind kämpft, müsse unbedingt die Gewissheit haben, dass in seinem Rücken kein Feind steht. Dafür werde er, der militärische Oberbefehlshaber, mit allen Mitteln sorgen.

Enver Pascha ist übrigens bereit, den Dr. Lepsius zu empfangen1und mit ihm die Armenierfrage zu erörtern.


1Formulierung im Jäckh-Nachlaß: „Dr. Jäckh’s Wunsch gemäss Dr. Lepsius zu empfangen.



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