1915-06-30-DE-001
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Quelle: DE/PA-AA/BoKon/169
Botschaftsjournal: A53a/1915/4018
Erste Internetveröffentlichung: 2003 April
Edition: Genozid 1915/16
Zustand: B
Letzte Änderung: 03/23/2012


Aufzeichnung des Generalkonsuls in der Botschaft Konstantinopel (Mordtmann)






Zu beifolgendem Entwurf darf ich folgendes bemerken:

1) Wie die Telegramme aus Samsun, Trapezunt und Harput (letztere von Pfarrer Ehmann) zeigen, und wie mir vor einigen Tagen Djanbulat bej mit der Karte von Anatolien in der Hand mündlich bestätigte, hat die Türkische Regierung letzthin beschlossen die Ausweisungsmaßregeln gegen die Armenier noch weiter auszudehnen: so sollen nunmehr auch die Armenier in den Provinzen Djanik, Trapezunt, Siwas und Mamuret ul Aziz nach Mesopotamien abgeschoben werden.

Das läßt sich nicht mehr durch militärische Rücksichten rechtfertigen; es handelt sich vielmehr, wie mir Talaat bej vor einigen Wochen sagte, darum die Armenier zu vernichten.

Im Eingang des neuen Entwurfes habe ich geglaubt, indirekt darauf hinweisen zu sollen, daß wir den Massenausweisungen in diesem Umfange nicht zustimmen können.

2) Es ist zu erwarten, daß in den armenierfreundlichen Kreisen in Deutschland die Vernichtung der deutsch-armenischen Anstalten große Erregung hervorrufen wird. Für das armenische Personal des Hülfsbundes in Marasch (es handelte sich speziell um ländliche Arbeiter) habe ich Nichts erreichen können; wegen Harput (Missionsanstalt Ehmann) hat man angeblich im Sinne unseres Gesuches gestern noch nach dort telegraphiert.

Ich halte es für geboten, die Pforte auf diese Anstalten besonders aufmerksam zu machen und habe daher in dem neuen Entwurf einen darauf bezüglichen Absatz hinzugefügt.

Erster Entwurf

[Das der Pforte schließlich übergebene Memorandum s. Dok 1915-07-07-DE-001, Anlage] 1

L’Ambassade d’Allemagne vient d’être informée que les Arméniens d’Erzeroum qui devaient être déportés à Kharpout par voie d’Erzindjan ont été en route assaillies par des bandes de Curdes et de maraudeurs qui égorgèrent les hommes et les enfants et enlevèrent les femmes.

Presqu’en même temps les Arméniens expulsés de Diarbékir et qui étaient dirigés sur Mossoul ont disparu en route; les radeaux sur lesquels on les avait embarqués sont arrivés vides à Mossoul et les eaux de l’Euphrate charriaient pendant quelques jours les cadavres mutilés des massacrés.

Des massacres partiels ont eu lieu dans le district de Khinis.

Ces événements sont regrettables sous tous les rapports.

Il est à prévoir que les Puissances ennemies en profiteront pour fomenter l’agitation parmi les Arméniens; et les nouvelles qu’on en répandra à l’étranger ne manqueront pas de provoquer l’indignation générale dans les pays neutres, surtout dans les Etats-Unis dont les représentants s’intéressent depuis quelques temps au sort des Armeniens en Turquie.

A part cela, il est à craindre qu’à la suite de ces massacres qui coïncident avec l’exécution d’une vingtaine d’Arméniens dans la Capitale, la population Arménienne ne se livre à des actes de désespoir en se soulevant ouvertement contre le Gouvernement et en attentant à la vie de ceux qui se trouvent à la tête du Gouvernement et qu’elle accuse d’être les promoteurs de ces persécutions.

Le Gouvernement d’Allemagne croit de son devoir comme Puissance amie et alliée de la Turquie d’attirer l’attention de la Sublime Porte sur cette situation et sur les conséquences qui en pourraient résulter au détriment de leurs intérêts communs, tant pendant la guerre actuelle qu’après, lors de la conclusion de la paix.

L’Ambassade pense qu’il serait d’urgence de donner des ordres peremtoires aux autorités provinciales d’empêcher par tous les moyens le retour de pareils incidents; elle pense également qu’il serait prudent de surseoir momentanément à l’exécution des arrêts de mort déjà rendus ou à rendre contre des Arméniens par les cours martiales de la Capitale ou dans les provinces, surtout a Diarbékir et à Adana.


[Eigene Übersetzung]

Die deutsche Botschaft wurde soeben davon unterrichtet, daß die Armenier von Erzeroum, die über Erzindjan nach Kharpout deportiert werden sollten, auf dem Weg dorthin von kurdischen Banden und Marodeuren überfallen worden sind, die Männer und Kinder niedermetzelten und die Frauen entführten.

Fast zur gleichen Zeit sind die aus Diarbékir ausgewiesenen Armenier, die Richtung Mossul geführt wurden, auf dem Weg verschwunden; die Flöße, auf die sie geladen wurden, kamen leer in Mossul an und die Wasser des Euphrats schwemmten einige Tage lang die verstümmelten Leichen der Massakrierten ans Ufer.

Ähnliche Massaker haben sich im Bezirk von Khinis ereignet.

Diese Ereignisse sind in vielerlei Hinsicht bedauernswert.

Es ist vorhersehbar, daß die feindlichen Mächte diese Ereignisse dazu ausnutzen, die Armenier aufzuwiegeln; und diese Nachrichten, die man im Ausland verbreiten wird, werden eine allgemeine Entrüstung in den neutralen Ländern zur Folge haben, besonders in den Vereinigten Staaten, deren Vertreter sich seit einiger Zeit für das Schicksal der Armenier in der Türkei interessieren.

Darüber hinaus ist zu befürchten, daß sich in der Folge dieser Massaker, die gleichzeitig mit der Hinrichtung von etwa zwanzig Armeniern in der Hauptstadt stattfanden, die armenische Bevölkerung zu Verzweiflungstaten hinreißen läßt, sich offen gegen die Regierung auflehnt und jenen an der Spitze der Regierung nach dem Leben trachtet, die sie für die Urheber dieser Verfolgungen hält.

Die Deutsche Regierung als mit der Türkei befreundete und verbündete Macht glaubt es daher als ihre Pflicht anzusehen, die Aufmerksamkeit der Hohen Pforte auf diese Situation und auf die Folgen zu lenken, die zum Schaden ihrer gemeinsamen Interessen sowohl während des Krieges als auch beim Friedensschluß entstehen könnten.

Die Botschaft hält es daher für dringend geboten, den Provinzbehörden Befehle zu geben, um mit allen Mitteln eine Wiederholung von dergleichen Zwischenfällen zu verhindern. Sie glaubt ferner, daß es im derzeitigen Augenblick geboten sei, die Durchführung der von den Kriegsgerichten in der Hauptstadt oder in den Provinzen, besonders in Diarbekir und Adana, gegen Armenier bereits verhängten oder zu verhängenden Todesurteile aufzuschieben.


1Dazu Notiz Mordtmann: Am 6/7 an Talaat bej übergeben, der einen etwas gekränkten Eindruck machte und eine Beantwortung in Aussicht stellte.



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