Im Anschluss an den Bericht vom 12. d.M. J.N.180
Wie ich unter der Hand vernommen habe, soll das hiesige Mutessarifat aus Konstantinopel Anweisung erhalten haben, einstweilen keine weiteren Ausweisungen von Armeniern mehr vorzunehmen. Einige zum weiteren Transport hierher verschickte armenische Familien aus Malgara, Keschan und Adrianopel sind demzufolge auch hier geblieben.
Inzwischen ist aus Konstantinopel eine Kommission hier angelangt, die unter der Bezeichnung „emval i metruke kommissionu“ die Liquidation des armenischen Eigentums vornehmen soll. Sie setzt sich aus je einem Abgeordneten des Grossvezirates, des Finanz- und des Justizministeriums sowie drei Sekretären zusammen. Die Kommission hat die Aufgabe, die von den verschickten Armeniern hinterlassenen Mobiliargegenstände zu inventarisieren und sodann im öffentlichen Versteigerungswege zu verkaufen. Aus dem Erlös sollen die Forderungen dritter Personen bestritten und ein etwaiger Überschuss den ehemaligen Eigentümern ausgehändigt werden. Die Immobilien werden von der Regierung übernommen, um später unter die türkischen Einwanderer (Mohadjir) verteilt zu werden. Die Armenier sollen dafür in Anatolien entsprechende, von den Mohammedanern verlassene Grundstücke erhalten. Es liegt auf der Hand, dass auf diese Weise die Armenier und mit ihnen ihre Gläubiger, die ein Pfandrecht oder sonstige Forderungen gegen die Immobilien besitzen, geschädigt werden.
Die Kommission wird mit ihren Arbeiten sofort beginnen. Unterdessen vollzieht sich in der europäischen Türkei eine Völkerwanderung kleinen Stils. Nach der Austreibung des grössten Teils der armenischen Bevölkerung scheint man auch die griechischen Siedelungen verschieben zu wollen. In dem diesseitigen Bericht vom 24. September d.J. J.Nr. 84 ist bereits die Austreibung der griechischen Bevölkerung aus einigen Grenzdörfern des Vilajets Adrianopel erwähnt worden. Diese Griechen, nach griechischen Angaben etwa 10000 Seelen, nach türkischer Schätzung nur gegen 5000 - sind seiner Zeit nach Eregli in der Nähe von Rodosto gebracht worden und sollen nunmehr in Rodosto selbst untergebracht werden. Zur Zeit hat man anscheinend die Absicht, aus den Grenzbezirken allmählich die griechische Bevölkerung herauszuziehen und statt ihrer die in den an Bulgarien abgetretenen Gebietsteilen ansässigen Mohammedaner darin anzusiedeln. Die Griechen sollen mehr nach hierher konzentriert werden. Die Vorbereitungen zu diesen Verschiebungen sind, wie es scheint, in vollem Gange. Ob dies alles nur provisorische Massregeln sind und die Griechen letzten Endes auch den Weg nach Anatolien antreten müssen, entzieht sich zur Zeit noch meiner Beurteilung.