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Buch

Unterrichtsmaterial über den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915/16 von Jörg Berlin

Kapitel

01. Geplanter Tod durch Massaker, Krankheit, Hunger, Durst, Ertränken, Kälte

Dokument 1.05

Hinweise für Lehrkräfte

Regierungsedikt gegen alle Armenier gerichtet. Trennung Männer u. Frauen. Angebot zum Islam zu konvertieren. Frauen, Mädchen un Jungen werden teils in türkische Haushalte gezwungen, Übrige deportiert. Unterwegs Massaker.

Quelle

Haus-Hof- und Staatsarchiv, Politisches Archiv, Wien. Zitiert nach: Ohandjanian, Artem (Hg.), Österreich-Armenien 1872-1936. Faksimilesammlung diplomatischer Aktenstücke, Wien 1995, Bd. VI: 1914-1915, S. 4804 ff.






Das Wort "Verschickung" (Deportation) bedeutet …

Eine Erklärung des katholischen Paters Hofer in einem Schreiben aus Erzerum aus dem Oktober 1915


Ein Regierungsedikt [ordnete] die strengste Bestrafung sämtlicher Armenier an. In der offiziellen Form dieses Ediktes wurde eine Ausnahme bezüglich der katholischen Armenier gemacht, die sich in der Tat in politische Sachen nie hineingemischt hatten. Aber im geheimen wurde allen Valis [Gouverneuren] aufgetragen, sowohl gegen die Gregorianer als gegen die Katholiken vorzugehen. Das Dekret verfügt die Todesstrafe für die Schuldigen oder Verdächtigen und die Verschickung für alle Übrigen.

Das Wort „Verschickung“ (Deportation) bedeutet:

1. Vollständige Trennung der Ehemänner von ihren Weibern und der Mütter von ihren Kindern.

2. Drohungen und Schmeicheleien türkischer Sendlinge, um die einen und die anderen zum Abfall [vom christlichen Glauben] zu bewegen. Die Abtrünnigen – und es sind deren viele – werden sofort nach rein muselmanischen Ortschaften gebracht, von wo es keine Rückkehr mehr gibt.

3. Raub der Weiber, insofern sie nach ihrer körperlichen Beschaffenheit sich zum Verkaufe für die Harems oder zur Befriedigung der niederen Lüste der Notabeln und Wächter eignen.

4. Die kleinen Mädchen … werden als kleine Dienerinnen für türkische Häuser bestimmt, welchen es dann obliegt, ihnen die entsprechende mohamedanische Erziehung zu geben. … Andernorts werden alle christlichen Knaben beschnitten und in türkische Häuser gebracht. …

5. Es gibt Landstriche, in denen die Frauen und Mädchen der gegenwärtig für ihr türkisches Vaterland kämpfenden [armenischen] Soldaten gesammelt und zur Verteilung in ausschließlich türkische Dörfer bestimmt werden.

Wenn auf diese Weise die Auswahl geschehen ist, dann werden die Übriggebliebenen gezwungen, ihre ganze Habe, Häuser, Besitzungen, Geld zu verlassen und ins Innere zu gehen. Von meist rohen Gendarmen begleitet wandern sie von Dorf zu Dorf, von Ebene zu Ebene, ohne Rast und Ruhe, immer einer unbekannten Bestimmung nach. Seelisch erschüttert durch die Leiden und den Schmerz der Trennung ist ihr Organismus nicht mehr im Stande, den Unbilden der Witterung und den Entbehrungen Stand zu halten, so dass viele auf dem Wege sterben. Andere werden ohne weiteres niedergemacht. So bestätigt sich die Nachricht eines allgemeinen Massakers [an den] Armeniern in Van und Bitlis; auch jenes in Mardin, wo der katholische Bischof mit 700 seiner Getreuen niedergemacht wurde. Von Angora berichtet [ein] Zeuge, dass die ganze männliche armenische Bevölkerung von über 10 Jahren durch ein Massaker ausgerottet worden ist. Beispiele dieser Art könnte man noch viele anführen.


Abb. 8: Opfer eines Massakers


Aus: Morgenthau, Henry, Ambassador Morgenthaus´s Story, New York 1926, S. 336.


Copyright © 2014 Dr. Jörg Berlin: www.armenocide.net A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. All rights reserved