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Buch

Unterrichtsmaterial über den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915/16 von Jörg Berlin

Kapitel

06. Massaker an den Armeniern in den Jahren 1894-1896, 1909 und an Griechen 1914 vor dem Genozid

Dokument 6.13

Hinweise für Lehrkräfte

Anschauliche Berichte machen deutlich, dass antiarmenische Ausschreitungen lange vor Beginn der Deportationen u. Massaker einsetzten. Regierung misstraut Armeniern. Bevölkerung gibt ihnen Schuld am Krieg. Ungesichert ist, ob zu diesem Zeitpunkt bereits eine Weiterführung der Verfolgungen bis hin zu Völkermord geplant war.

Quelle

Lepsius, Johannes, Der Todesgang des armenischen Volkes. Bericht über das Schicksal des Armenischen Volkes während des Weltkrieges, Potsdam 1927, S. 185 ff.






Beunruhigende Nachrichten.

Auszüge aus der Korrespondenz der armenischen Partei Daschnakzutiun ab Ende 1914 (Datum nach gregorianischem und julianischem Kalender)


26. Dezember 1914 / 8. Januar 1915

Es scheint, dass die Haltung der kaukasischen (russischen) Armenier die Regierung enttäuscht hat. Man sieht dies aus ihrem Verhalten gegen die Armenier überhaupt und gegen die [Daschnakzutiun] insbesondere. Nun ist es natürlich sehr schwer, unsere türkischen Freunde davon zu überzeugen, dass wir [Daschnakzutiun] nicht nur keinen Anteil an dem Verhalten der russischen Armenier [haben], sondern auch überzeugte Anhänger der Erhaltung der Türkei und Gegner der Einverleibung Armeniens in Russland sind.

Wir haben von Van einen Brief vom 29. November erhalten, der die Lage als sehr schwierig schildert. Die Requisitionen haben den Charakter einer Ausplünderung angenommen; die Dörfer werden vollständig ausgeleert. Unter dem Vorwand der Bestrafung von Deserteuren haben die Gendarmen zahllose Häuser niedergebrannt und Güter konfisziert. Gegen die Muhammedaner, bei denen viel mehr Desertionen vorkommen, tut man nichts dergleichen. Neulich hat man alle Räuber amnestiert und bewaffnet. In einigen Orten hat man bekannte Verbrecher aus den Gefängnissen freigelassen und ihnen Waffen gegeben. Die Schritte unserer Kameraden bei der Regierung bleiben fast immer ohne Erfolg.

20. Januar / 2. Februar

In Konstantinopel ist das Misstrauen [der Regierung] gegen die [Daschnakzutiun] so groß, dass man mit ihr kaum über die Lage sprechen kann.

20. Februar / 5. März

Beunruhigende Nachrichten aus dem Wilajet Wan über Misshandlungen und Totschläge in den Dörfern durch Gendarmerie und Tschettehs.

27. Februar / 12. März

Die Absicht der Regierung scheint darauf hinzugehen, die Armenier aus ihren Zentren zu entfernen. Obwohl wir mit ganzem Herzen unsere Bürgerpflicht erfüllen, misstraut uns doch die Regierung.

11. März / 24. März

(Aus Baipurt) Die ganze Bevölkerung lebt unter dem Albdruck eines allgemeinen Massakers. Die Regierung hat Befehl gegeben, dass alle armenischen Soldaten entwaffnet werden sollen. Im Falle auch des unbedeutendsten Anlasses sollen alle niedergemetzelt werden.

20. März / 2. April

Aus den Vilajets Erzerum und Bitlis wird wachsende Beunruhigung über die Plünderungen in den Dörfern und über allgemeine Unsicherheit gemeldet. Die Furcht vor einem allgemeinen Massaker hängt über unsern Häuptern. Die Türken sagen zu uns: „Ihr Armenier seid an dem Unglück dieses Krieges schuld, und wir werden euch vernichten. Es ist höchste Zeit, die Aufmerksamkeit auf die Zustände in Armenien zu richten, sonst werden wir statt eines Armenien bald nur einen Haufen von Ruinen haben.“

[Es folgte ein Verbot der Zeitung.]



Copyright © 2014 Dr. Jörg Berlin: www.armenocide.net A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. All rights reserved