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Buch

Unterrichtsmaterial über den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915/16 von Jörg Berlin

Kapitel

05. Aussagen ausländischer Zeitzeugen über einen absichtlich und planvoll durchgeführten Genozid sowie die damit angestrebten Ziele

Dokument 5.10

Hinweise für Lehrkräfte

Deutscher u. österreichischer Botschafter tragen türkischen Politikern vor, revolutionäre Tendenzen unter Armeniern seien kein Grund für Grausamkeiten gegen Frauen u. Kinder sowie Exterminierung des armen. Volkes.

Quelle


Haus-Hof- und Staatsarchiv, Politisches Archiv, Wien. Zitiert nach: Ohandjanian, Artem (Hg.), Österreich-Armenien 1872-1936. Faksimilesammlung diplomatischer Aktenstücke, Wien 1995, Bd. VI: 1914-1915, S. 4666 ff.






Der Großvezir Selim Pascha konnte dies alles nicht leugnen.

Aus einem Bericht des österreichischen Botschafters in Konstantinopel vom 13. August 1915 an den Außenminister in Wien


Ich besprach neulich den Ernst der armenischen Frage mit dem deutschen Botschafter. Fürst Hohenlohe sprach die Ansicht aus, dass wir die Angelegenheit unbedingt beim Großvezir zur Sprache bringen … sollten. … Ich habe dies vorgestern getan und dem Großvezir in einem durchaus freundschaftlichen Gespräche gesagt, ich wisse sehr wohl, dass unter der armenischen Bevölkerung weitgehende revolutionäre und sogar staatsfeindliche Tendenzen herrschen; es wäre nur selbstverständlich, dass die schuldigen Elemente zur Rechenschaft gezogen und auf das Strengste bestraft würden; ich müsse es aber für einen großen Fehler halten, dass sich die Regierungsorgane nicht zu rechtfertigende, arge Grausamkeiten, insbesondere gegen Frauen und Kinder zuschulden kommen ließen. Ich machte den Großvezir auch darauf aufmerksam, dass die Zeit kommen werde, wo die Türkei für diese Politik der Exterminierung eines dem türkischen Reiche immerhin nützlichen Volkes werde zur Verantwortung gezogen werden. … Selim Pascha konnte dies alles nicht leugnen, er verteidigte sich aber damit, dass die revolutionären und antitürkischen Tendenzen Dimensionen angenommen hätten, welche eine direkte Gefahr für den Bestand des türkischen Reiches bilden würden, wodurch die Regierung zu den schärfsten Maßnahmen gezwungen sei.

Fürst Hohenlohe hat gestern in derselben Angelegenheit beim Großvezir vorsprechen wollen; da er diesen jedoch nicht antraf, so hat er mit Talaat Bey gesprochen, bei welchem zufällig auch Enver Pascha und Halil Bey anwesend waren. … .

Der deutsche Botschafter hat auf der Pforte ein schriftliches aide-mémoire [Erklärung] hinterlassen, in welchem unter anderem auch erwähnt wird, dass Deutschland von verschiedenen Seiten der Vorwurf gemacht wird, dass es das Begehen so unerhörter Grausamkeiten und die Exterminierung einer Rasse ruhig mit ansehe und sogar dazu rate.



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