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Buch

Unterrichtsmaterial über den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915/16 von Jörg Berlin

Kapitel

09. Über die Jungtürken und das Zentralkomitee „Einheit und Fortschritt“ (Ittahad ve Terakki“)

Dokument 9.06

Hinweise für Lehrkräfte

Von Umsetzung der [ursprünglich auf Gleichberechtigung zielenden] Idee des Ottomanentums derzeit wenig Positives zu melden. Bevorzugung der Türken im Staat. Nichttürken enttäuscht. Regierung u. Jungtürken scheinen auf gewaltsame Osmanisierung bzw. Verschmelzung der verschiedenen Nationen zu setzen.

Quelle

Politisches Archiv des deutschen Auswärtigen Amts. Zitiert nach: Wolfgang & Sigrid Gust (Ed.): www.armenocide.net A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. 1910-09-06.






Verschmelzung aller Nationalitäten zu einem verfassungstreuen Ottomanentum.

Aus einem Bericht des Geschäftsträgers der deutschen Botschaft Konstantinopel Miquel vom 6. September 1910 an den Reichskanzler Bethmann Hollweg


Von dem großen Problem der jungen Türkei, nämlich der Verschmelzung aller Nationalitäten zu einem verfassungstreuen Ottomanentum, ist es recht still geworden, und die wenigen Nachrichten über diese Bestrebungen lauten nichts weniger als günstig. Ja man kann unbedenklich behaupten, dass die Türkei von diesem Ziele weiter entfernt ist wie je. Die Enttäuschung der Nichttürken ist bereits in vielen Teilen des Landes zu Tage getreten, und es gewinnt mehr und mehr den Anschein, als ob eine friedliche, auf gemeinsamer Arbeit beruhende Lösung dieser Aufgabe nicht zu erreichen sein wird.

Es würde demnach nur die Frage bleiben, ob die Türken nach und nach mit Gewalt die Verschmelzung durchsetzen, ähnlich wie in Russland die fremdstämmigen Untertanen russifiziert werden.

Die Hohe Pforte [die Regierung], unterstützt von dem chauvinistischen Komitee, scheint vor den Schwierigkeiten dieses Programms, so unüberwindlich sie auch sein mögen, nicht zurückzuschrecken. Sie bevorzugt die Türken bei der Besetzung von Ämtern in jeder Weise und sucht die Rechte der übrigen Nationalitäten durch eine möglichst beschränkende Auslegung der Verträge auf ein Mindestmaß zurückzuführen. In vielen Fällen mag sie dabei Recht haben; häufig geht sie aber zu weit.

Der Kampf richtet sich namentlich gegen die Ottomanen griechischer Abkunft …

Die Gegensätze sind vorerst unüberbrückbar; nicht Worte entscheiden, sondern die Gewalt, und über diese verfügen die Jungtürken, welche davon einen recht ausgiebigen Gebrauch machen.



Copyright © 2014 Dr. Jörg Berlin: www.armenocide.net A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. All rights reserved