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Buch

Unterrichtsmaterial über den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915/16 von Jörg Berlin

Kapitel

10. Der Genozid in der offiziellen türkischen Version

Dokument 10.15

Hinweise für Lehrkräfte

Versicherungen des türk. Innenministers Talaat über Schonung katholischer u. protestantischer Armenier falsch. Dem deutschen Botschafter übergebenes Exemplar einer Anweisung an Provinzgouverneue, Deportationen einzustellen, bereits Deportierte zu versorgen u. Übergriffe zu bestrafen, wird nicht befolgt. Falls Anweisung überhaupt versandt wurde, liegt wohl Täuschungsmanöver vor. Viele Berichte, dass Jungtürken sich an Massenvernichtung bereichern.

Quelle

Haus-Hof- und Staatsarchiv, Politisches Archiv, Wien. Zitiert nach: Ohandjanian, Artem, Österreich-Armenien 1872-1936. Faksimilesammlung diplomatischer Aktenstücke, Wien 1995, Jg. 1912 ff. , Blatt 470 ff.






Sand in die Augen streuen?

Aus einem Schreiben des österreichischen Botschafters Palavicini in Konstantinopel vom 3. September 1915 an den Außenminister in Wien


Hiesigen katholisch-armenischen Priestern kommen fortwährend Nachrichten … zu, dass in die barbarischen Maßnahmen gegen die armenische Bevölkerung auch die katholischen Armenier zum großen Teile inbegriffen sind. …

Ich habe in meinen wiederholten Gesprächen mit [dem türkischen Innenminister] Talaat Bey stets auch insbesondere auf die katholischen Armenier seine Aufmerksamkeit gelenkt; er gab mir immer die Versicherung, dass die katholischen und protestantischen Armenier nichts zu befürchten hätten. Die Versicherungen des Ministers des Innern haben sich daher bisher als unwahr erwiesen.

Gestern hat Talaat Bey dem [derzeitigen deutschen Botschafter] Fürst Hohenlohe die deutsche Übersetzung eines Erlasses überbracht, den er an alle Mutessarifs [Provinzgouverneure] herausgegeben habe. … Der deutsche Botschafter hat mir diesen Erlass vorgelesen. In demselben wird angeordnet, dass die Verschickungen der Armenier in das Innere eingestellt werden sollen, die Armenier, welche bereits auf der Wanderung seien, wären mit Brot und Oliven [zu versorgen], Angriffe auf dieselben, besonders auf Frauen, hätten auf das strengste geahndet zu werden usw.

Es wäre nicht ausgeschlossen, dass dieser Erlass vielleicht darauf berechnet ist, dem deutschen Botschafter und mir Sand in die Augen zu streuen und es bleibt außerdem zu erwarten, ob dieser Erlass, falls er wirklich ergangen, auch durchgeführt werden wird, da es aus zahlreichen Nachrichten hervorgeht, dass sich nicht nur viele Mitglieder des [jungtürkischen] Komités … durch Ankauf des zurückgelassenen armenischen Hab und Gutes um Spottpreise in bedeutender Weise bereichern, sondern auch die Behörden selbst ihre materiellen Vorteile an den Massenvernichtungen haben.



Copyright © 2014 Dr. Jörg Berlin: www.armenocide.net A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. All rights reserved