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Buch | 
Unterrichtsmaterial über den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915/16 von Jörg Berlin |

Kapitel | 
06. Massaker an den Armeniern in den Jahren 1894-1896, 1909 und an Griechen 1914 vor dem Genozid |
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Dokument 6.02 |

Hinweise für Lehrkräfte | 
Bericht über ein von staatlicher Seite angeordnetes Massaker. Viele Armenier rücksichtslos erschossen oder niedergestochen. Frauen u. Kinder verschont. |

Quelle | 
Die Große Politik der Europäischen Kabinette 1871-1914. Sammlung der Diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes hrsg. von J. Lepsius, A. Mendelsohn Bartholdy, F. Thimme, 10. Bd.: Das türkische Problem 1895, Berlin 1924, S. 85 f. |

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Blutige Ereignisse in Trapezunt.
Aus dem Bericht des k. u. k. Generalkonsuls Zagorski vom 10.10. 1895 an die Botschaft in Konstantinopel
Unter dem erschütternden Eindrucke der blutigen Ereignisse, deren Schauplatz unsere Stadt am 8. d. Mts. gewesen ist, erlaube ich mir … nur jene Tatsachen zur Kenntnis … zu bringen, die mir aus eigener Anschauung bekannt sind oder von ganz verlässlichen Augenzeugen verbürgt wurden. Hiernach brach der Tumult, eigentlich der Überfall auf die armenischen Kaufleute präzis um 11 Uhr vormittag[s] … an mehreren Punkten der Stadt gleichzeitig aus, so dass in dem Momente, als der Generalgouverneur Kadri Bey (in ganz ungewohnter Weise und Zeit) am Platze (Meydan) erschien, auch schon von drei verschiedenen Seiten Nisams [reguläres Militär], Saptiehs [Gendarmen] und der bewaffnete Pöbel die von dessen Anführern bezeichneten Armenier niederzuschießen, deren Warenmagazine zu erbrechen und zu plündern begannen.
Aus allen türkischen Gasthöfen, Kaffeehäusern und Läden traten plötzlich bewaffnete Muselmanen auf die Straße und töteten die Armenier, denen sie begegneten, während am Meeresufer die türkischen Barkenführer ihre armenischen Genossen überfielen und schonungslos mit Schusswaffen und Messern niederstreckten. Dieser Kampf fand sogar in den Barken am Wasser statt!
Eine Abteilung Nissams und 200 Saptiehs beteiligten sich an der Aktion und schossen teils auf die Passanten, teils in die Fenster der von Armeniern bewohnten Häuser. Dieses Gemetzel vollzog sich durchwegs ohne irgendeinen unmittelbaren Anlass seitens der Armenier, sondern vorbereitet und planmäßig, so dass die nachbarlichen Magazine der Griechen, Katholiken und Türken ebenso unbehelligt blieben, wie deren anwesende Eigentümer; dagegen wurden alle Armenier, denen es nicht gelang, aus den abgeschlossenen Gassen zu entkommen oder sich zu verbergen, rücksichtslos erschossen oder niedergestochen; Frauen und Kinder wurden verschont.
Nach Verlauf von zwei Stunden wurde auf ein gegebenes Signal das Feuer eingestellt; und während ein Teil des Pöbels mit der Plünderung der Magazine beschäftigt war, zerstreute sich die Menge ebenso schnell, als sie vorher die Gassen angefüllt hatte. … Nachdem das mot d`ordre „Vernichtung der armenischen Kaufleute“ gelautet hatte, so enthielt sich der Pöbel von sonstigen Exzessen und drang nicht in die Privatwohnungen ein. … Abgesehen von der Ermordung durch Schusswaffen, Axt- und Handscharhiebe wurden hierbei keine Grausamkeiten verübt; es wäre denn, dass ein Friseurgehilfe entzweigeschnitten und ein junger Kaufmann vom Kopf bis tief in den Brustkorb gespalten vorgefunden wurden.
Dass diese summarische Exekution der Armenier vom Generalgouverneur Kadri Bey vorbereitet und angeordnet wurde, unterliegt keinem Zweifel. |