[Close]
[de]

Deutsch




Buch

Unterrichtsmaterial über den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915/16 von Jörg Berlin

Kapitel

06. Massaker an den Armeniern in den Jahren 1894-1896, 1909 und an Griechen 1914 vor dem Genozid

Dokument 6.03

Hinweise für Lehrkräfte

Bei einem zweiten Massaker versuchen Armenier in großer Kirche Schutz. Soldaten brechen diese auf. Töten u. verbrennen Christen: „a butchery which became a great holocaust“.

Quelle

Bliss, E.M., Turkey and the Armenian Atrocities, (New York) 1896, S. 460 ff.
(Die Zahlenangaben beruhen auf ersten Schätzungen.)






Dann begann das Aufräumen.

Aus dem Bericht einer amerikanischen Missionarin vom 7.1. 1896 über Ereignisse in Urfa


Wir hatten wiederholt gehört, dass die Muslime mit dem Angriff von vor zwei Monaten noch nicht zufrieden waren, der mit der Vernichtung von 40 Menschenleben und Gütern im Wert von 15000 türkischen] Pfund, dem Plündern von 600 Geschäften und 289 Häusern endete. Anschließend wurden alle Christen vollständig durch die Behörden entwaffnet. Etwa 80 Männer wurden inhaftiert, und wir fürchteten eine weitere Schreckensorgie. Sie kam ganz unvermittelt.

Am Sonnabend, dem 28. Dezember, diente das Abfeuern einiger Gewehre im Moslemquartier südlich von uns als Signal. Sofort strömte eine ungeheure Menge auf dem Hügel hinter unserem Haus zusammen. Die Wachen in der Straße östlich von uns gingen der Masse entgegen, feuerten einige Schüsse über die Köpfe und gestatteten dann der blutdürstenden wilden Natur in die Stadt zu strömen und ihr Werk zu vollbringen. Die Schreckenstaten dauerten bis zum Dunkelwerden.

Drei Soldaten hielten den Mob davon ab, unsere Straße zu betreten. Sie riefen fortwährend: „Es ist das Haus einer Ausländerin, und es ist verboten, sie anzurühren.“ Wir haben nachgezählt, dass dieser Schutz-Schatten 17 Häuser und 240 Menschen abdeckte. ...

Ich sah genau gegenüber auf der anderen Seite der Straße einen Mann, der auf dem Dach verprügelt und dann heruntergeworfen wurde.

Die syrischen und katholischen Christen wurden ebenfalls verschont. Alle anderen Christen verloren ihren gesamten Hausrat und einige Häuser wurden abgebrannt. Die Zahl der Getöteten kann nicht geringer sein als 3500 und könnte 4000 betragen. Von diesen, meint man, sind 1500 in der großen gregorianischen Kirche zugrunde gegangen. Am Sonnabend war jener Teil der Stadt ,in der die Kirche liegt, kaum behelligt worden, und große Gruppen von Armeniern strömten in die Kirche, um hier für die Nacht Zuflucht zu finden.

Sonntagmorgen mit dem Tageslicht begann die „Arbeit“ von neuem, und als die Masse die Kirche erreichte, brachen Soldaten die Pforten auf. Eindringend begannen sie dann eine große Schlächterei, die zu einem ´Brandopfer´ ausartete („a butchery which became a great holocaust“). Daran nahmen Muslime vieler Gesellschaftsklassen teil.

Zwei Tage lang war die Luft in der Stadt nicht zu ertragen, dann begann das Aufräumen. Während der nächsten Tage sahen wir ständig Männer, die Säcke mit Asche und Knochen trugen. Das Herausziehen von 1500 Leichen, um sie dann in Gräben zu beerdigen, war schneller vorbei. ... Der letzte Teil der Arbeit war das Reinigen der Brunnen. Es heißt, dass aus einem sehr großen Brunnen 60 Leichen herausgezogen wurden. Vielfach belegt ist, dass aus einem anderen Brunnen 20 Körper geborgen wurden. Etwa 300 Personen entkamen auf dem Weg über das Dach aus der Kirche. ... Kurz nach Mittag am Sonntag führten etwa 15 oder mehr bekannte Bürger und Regierungsbeamte (ohne den Bürgermeister und den Militärbefehlshaber) – an der Spitze eine Militärkapelle und berittene Wachen – einen Umzug durch die Stadt.

Sie betraten unseren Hof, ... sicherten mir absolute Sicherheit zu und baten mich, nicht beunruhigt zu sein. Das Treiben endete am Sonntag, dem 29. nicht vor der Dunkelheit. Am Montag wurden die Kurden und Araber daran gehindert, die Stadt zu betreten. Das Schießen begann beim Morgengrauen. ... Heute sind die lange erwarteten Soldaten eingetroffen – 800 der 900.


Abb. 20: Die Kathedrale von Urfa. 1896 Schauplatz eines Massakers

Im Zentrum die Kathedrale von Urfa.
Aus: Kevorkian, Raymond H., Paboudjian, P. P., Les Armeniens dans L’Empire Ottoman a la Veille du Génocide, Paris 1992, S. 324.



Copyright © 2014 Dr. Jörg Berlin: www.armenocide.net A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. All rights reserved