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Buch

Unterrichtsmaterial über den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915/16 von Jörg Berlin

Kapitel

01. Geplanter Tod durch Massaker, Krankheit, Hunger, Durst, Ertränken, Kälte

Dokument 1.15

Hinweise für Lehrkräfte

Türkischer Kriegsgerichtshof bestätigt nach Ende des Krieges und der Herrschaft des jungtürkischen Komitees die Schreckenstaten. Er nennt die Einheiten der Täter aus entlassenen Häftlingen, beklagt Folterungen, Plünderungen, Massaker. Gericht verweist auf Tötungen von türkischen Beamten, die Befehlen des jungtürkischen Komitees nicht folgen wollten, und auf Proteste in der Bevölkerung gegen die Gräueltaten.

Quelle

Akcam, Taner, Armenien und der Völkermord. Die Istanbuler Prozesse und die türkische Nationalbewegung, Hamburg 1996, S. 189 ff. (Auszüge)






Teilen Sie mir dies klar mit.

Aus einem Beschluss im Hauptverfahren des vom Sultan nach dem verlorenen Krieg eingesetzten Kriegsgerichtshofes in Istanbul vom April 1919 gegen ehemals führende Mitglieder der jungtürkischen Partei „Einheit und Fortschritt“ (Ittihad ve Terakki)


Sie [die Angeklagten] erdreisteten sich, Handlungen und grausame Taten zu vollziehen, die … endlose Wirren hervorbrachten. Sie handelten dem Anschein nach mit der Absicht, nationale Bestrebungen zu befriedigen, in Wirklichkeit aber, um große Not hervorzurufen und die Stimme des Volkes zum Schweigen zu bringen und unter Ausnutzung der Gunst der Stunde eine Gewaltherrschaft und Tyrannei zu praktizieren und um Reichtümer und Besitz anzuhäufen. … Mit der Absicht, während der Kriegshandlungen die heimlichen Ziele in die Tat umzusetzen, bildeten sie unter dem Namen „Teskilat i Mahsusa“ ein Komitee, um … Grundlagen für die verbrecherischen Handlungen der Gruppen von Häftlingen vorzubereiten, die sie aus den Gefängnissen entlassen ließen, und um diesen Befehle und Anordnungen zu erteilen, und um sich mit allen derartigen heimlichen Handlungen in Istanbul zu beschäftigen. …

Zu den Anschuldigungen gehört:

Einige der Personen, die dieses Komitee in die Provinzen entsandte, ließen sie … die Schandtaten: Massaker an der Bevölkerung, Plünderung von Gütern und Geldern, Verbrennungen von Häusern und Leichen, Vergewaltigungen, Folterungen und Quälereien durchführen. Der bestimmte Punkt, der Gegenstand dieser Untersuchung ist:

Die Tragödie, die während der Deportationen der Armenier zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten hervorgerufen wurde und gegen deren jeweilige Täter eine gesonderte rechtliche Verfolgung durchgeführt wird, besteht nicht aus lokalen und einzelnen Ereignissen. Sie haben [vielmehr] den Charakter [einer Tat], die von einer vereinigten zentralen Kraft organisiert wurde, welche sich aus den genannten Personen zusammensetzte und deren Durchführung durch die Erteilung mündlicher und geheimer Befehle und Anordnungen gewährleistet und geleitet wurde. …

[Die Gefühle der Bevölkerung hierzu:] Tatsächlich … sprachen und betrachteten die Muslime [z. B.] in Kastamonu … über die Ereignisse ihrer Umgebung mit Abscheu. Eines Tages erklärte sogar eine große Gruppe, die sich aus dem Mufti, den Scheichs und Honoratioren zusammensetzte, dem Gouverneur Resid Pasa gegenüber wörtlich: „Aus den Nachbarprovinzen bringt man Armenier, als führe man sie zur Schlachtbank, mit Kindern und Familien allesamt auf die Berge und ermordet sie. Wir wollen in unserem Gebiet etwas Derartiges nicht. Wir fürchten den Zorn Gottes. … Wir möchten darum bitten, dass in unserer Provinz eine derartige Behandlung nicht praktiziert wird.“ Nachdem man ihnen von Seiten des … Gouverneurs versichert hatte, ein derartiger Zustand würde mit Sicherheit nicht zugelassen werden, seien sie mit Freudentränen in den Augen wieder fortgegangen. …

Der Inhalt [z. B.] des Telegramms, welches vom Vorsitzenden der Teskilat i Mahsusa in Erzerum, Baha’e’din Sakir Bey, signiert, für Nazim Bey [den Bevollmächtigten des jungtürkischen Ittihad ve Terakki] … geschickt wurde, lautet:

„Werden die Armenier, die von dort abtransportiert werden, beseitigt? Werden die schädlichen Personen, von denen Sie mitteilen, dass sie umgesiedelt und vertrieben werden, vernichtet? Oder werden sie lediglich abtransportiert und fortgeschickt? Teilen Sie mir dies klar mit, Bruder.“

Die Anwesenheit des genannten Resneli Nasim Bey, zu jener Zeit als Inspektor der Ittihad ve Terakki in [der Provinz Mammuret al Aziz], belegt dokumentarisch, dass die Teskilat i Mahsusa, beschäftigt mit der Aufgabe der Vernichtung, in Verbindung mit dem Komitee [Ittihad ve Terakki] stand.

[Ein weiterer Beleg für die Anklage:] Das mit „Mahmud Kamil, Kommandeur der 3. Armee“ signierte Telegramm, [mit dem Inhalt,] dass ein Muslim, der einen Armenier schützen sollte, vor seinem Haus hingerichtet und sein Haus verbrannt würde; und wenn er Beamter sei, würde er vom Dienst suspendiert und vor das Kriegsgericht gebracht; diejenigen, die den Schutz der Armenier für angebracht hielten, sollten, wenn sie Angehörige des Militärs sind, aus dem Militärdienst entfernt und zwecks Prozesses den erwähnten Kriegsgerichten übergeben werden.

Es [das Telegramm] zeigt dem gesunden Menschenverstand …, dass unter solcher Art Drohung und Terror die dortigen Muslime nicht in der Lage sein konnten, bei dieser Tragödie das religiöse Gebot (zu halten), die nach der Scharia verbotenen Dinge zu verhindern, und dass für die geschehene Tragödie die dort ansässige muslimische Bevölkerung und die kleinen Beamten nicht getadelt werden könnten. … [Weitere Belege für die Anklage:] Die Aussage des ehemaligen Gouverneurs von Ankara, Mazhar Bey, der zufolge er abgesetzt worden sei, weil er es ablehnte, die Vorschläge hinsichtlich der Deportation und Vernichtung auszuführen. Die [Aussage] des ehemaligen Generaldirektors der administrativen Untersuchungskommission, Hamid Bey, über die an Arabern verübten Gräuel sowie über die vom Gouverneur von Diyarbakir veranlasste Vernichtung durch Hinrichtung von zwei Landräten, die der Umsiedlung nicht zugestimmt hatten. …

Auch grausame Verbrechen wie Massaker und niederträchtige wie Wucher werden leider dem Zentralkomitee und der Gesamtheit des Komitees Ittihad ve Terakki sowie ihrer Teaskilat i Mahsusa zur Last gelegt, und die vor Gericht gestellten Personen stehen hier nicht in ihrer Eigenschaft als Minister, sondern in ihrer Eigenschaft als Amtsträger des Komitees Ittihad ve Terakki oder als Mitglieder des Zentralkomitees. Die blutigen Flecken, die aufgrund dieses Massakers … auf den osmanischen Boden gefallen sind, und die schwarzen Flecken, die auf die osmanische Stirn gespritzt sind, können nur durch die Feder der Gerechtigkeit fortgewischt werden. …



Copyright © 2014 Dr. Jörg Berlin: www.armenocide.net A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. All rights reserved