[Close]
[de]

Deutsch




Buch

Unterrichtsmaterial über den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915/16 von Jörg Berlin

Kapitel

03. Zwangsislamisierung

Dokument 3.7

Hinweise für Lehrkräfte

Deportierte, die Syrien erreichten, werden wieder zum Religionswechsel gedrängt. Teils verspricht man ihnen materielle Vorteile, teils wird erneute Abschiebung angedroht und bei Verweigerung der Konversion durchgeführt.

Quelle

Haus-Hof- und Staatsarchiv, Politisches Archiv, Wien. Zitiert nach: Ohandjanian, Artem (Hg.), Österreich-Armenien 1872-1936. Faksimilesammlung diplomatischer Aktenstücke, Wien 1995, Bd. VI: 1916-1917, S. 5177.






Welche den Übertritt rundweg verweigern.

Aus einem Bericht des österreichischen Generalkonsuls in Damaskus vom 4. August 1916 an den Außenminister in Wien


Nach zuverlässigen Nachrichten, welche keinen Zweifel zulassen, wird im ganzen Wilajet seitens der Behörden sowohl in den Städten als auch auf dem Lande ein starker Druck auf die Auswanderer geübt, den Islam anzunehmen. Jetzt wo die Auswanderungsbewegung so ziemlich zum Stillstand gekommen ist und die Ansiedler an ihren neuen Wohnstätten sich zu stabilisieren im Begriffe sind, sucht man von ihnen durch die Konversion eine Aufgabe ihrer Nationalität, eine Verschmelzung mit der Bevölkerung zu erreichen.

In Hama, also dem Sitze eines Mutessarifs [Bezirksgouverneurs], sind schon vor einiger Zeit zahlreiche Konversionen [(Zwangs-)Übertritte] dieser Art erfolgt. So manche der dort angesiedelten Armenier, welche durch den Aufenthalt in der Stadt ein verhältnismäßig besseres Los haben und dort verschiedenen gewerblichen Berufen nachgehen können, haben sich durch die Androhung, dass sie nach den Dörfern abgeschoben werden würden, zu dem Religionswechsel bewegen lassen; für andere, welche bisher von der Regierung ein Zehrgeld erhalten haben, war die Entziehung dieses bestimmend.

Die Armenier sind durch das furchtbare Schicksal, das über sie hereingebrochen ist, mürbe geworden und haben die moralische Kraft zum Widerstande großenteils eingebüßt.

Gilt dies für die Städte, so sind die Konversionen am Lande, in den Dörfern noch zahlreicher … In den Dörfern ist die Lage der armenischen Auswanderer so schlimm, dass sie zumeist auf das Taggeld der Regierung angewiesen sind. Es ist daher begreiflich, dass einerseits die Entziehung dieses, andererseits die Aussicht, im Falle des Übertrittes eine Hütte und ein Stück Land zu eigen zu bekommen, sie mehr oder minder gefügig macht. Der Übertritt ist umso leichter, als er in Ermangelung armenischer Priester lediglich durch die Erklärung vor dem Verwaltungsmedjlis [hier etwa: Verwaltungsbehörde] des betreffenden Bezirkes vollzogen wird.

In Damaskus selbst und Umgebung hatte man bisher – vielleicht mit Rücksicht auf die fremden Konsulate, von ähnlichen Zwangsmitteln Abstand genommen. Auch hier war zwar die Konversion mehrerer Familien erfolgt, sie war aber mehr eine freiwillige, wegen zu gewärtigender materieller Vorteile. Nun hat man auch hier mit Zwangsmitteln begonnen; seit circa 1 Woche werden alle armenischen „Muhadjir“ [´Auswanderer´] in der Stadt, deren man habhaft wird, aufgegriffen und in die gregorianische Kirche gesperrt. Die, welche den Islam anzunehmen erklären, werden freigelassen; jene, welche den Übertritt rundweg verweigern, in die Dörfer abgeschoben. Eine ziemliche Anzahl hat sich zur Konversion verstanden, während allerdings ebenso viele standhaft blieben



Copyright © 2014 Dr. Jörg Berlin: www.armenocide.net A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. All rights reserved