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Buch

Unterrichtsmaterial über den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915/16 von Jörg Berlin

Kapitel

13. Türkische und deutsche Helfer und Retter

Dokument 13.02

Hinweise für Lehrkräfte

Frauen u. Kinder finden Unterschlupf bei Muslimen. Strafandrohungen finden kaum Beachtung. Bereits wegen der Leitung einer Protestversammlung u. Ablehnung der Armenierverfolgung strafversetzter Oberrichter nimmt auch nach Hausdurchsuchung wieder Bedrohte auf.

Quelle

Aus: Künzler, Jakob, Im Land des Blutes und der Tränen. Erlebnisse in Mesopotamien während des Weltkrieges (1914-1918), 2. Aufl. Zürich 1999, S. 90 f.






„Aus den Deportationslagern verschwanden täglich armenische Frauen und Kinder.“ .

Aus den Aufzeichnungen des Schweizer Krankenpflegers und Missionars J. Künzler über seine Wahrnehmungen in der Stadt Urfa Ende 1915


Viele Armenier der Stadt hatten Freunde unter den Muhammedanern. Letztere waren nicht alle so unbarmherzig, dass sie sich mit dem gleichen unglaublichen Zynismus der Regierung an der Vertilgung des Volkes beteiligt hätten. Es verschwanden denn auch aus den Deportationslagern täglich armenische Frauen und Kinder, die nicht getötet wurden. Sie fanden Unterschlupf bei solchen menschlich gesinnten moslemischen Freunden. Außerdem war es ja zur Regel geworden, dass sich jeder Muhammedaner aus den Lagern holte, was ihm von den unglücklichen Frauen und Mädchen gerade passte. … Der Regierung, welche von dieser Art Flucht wusste, schien schließlich auf diese Weise noch zu viel von dem armenischen Volk übrig zu bleiben, weshalb sie schließlich jenem Treiben einen Riegel vorschob, indem sie bekannt gab, dass jeder, der Armenier aufnehme, Gefahr laufe, ebenfalls deportiert zu werden. … Unter den Türken haben nur einige höhere Beamte dem Befehl Folge geleistet. Das Gros der türkischen, kurdischen und arabischen Einwohner in und außerhalb der Stadt kümmerte sich nicht um die Wünsche der Regierung. Auch der Oberrichter der Stadt wurde vom Kriegsgericht aufgefordert, die bei ihm vorhandenen armenischen Christen herauszugeben. Dieser Mann war im Juli 1915 von Erzingjan nach Urfa strafversetzt worden, weil er dort gegen die Ausweisung der Armenier protestiert hatte. In Urfa präsidierte er in jenen Unglückstagen einer Versammlung, in der Stellung gegen die Armeniergräuel genommen wurde. In seinem Hause hatte er einer Anzahl Armenierinnen Aufnahme gewährt. Der General ließ ihn nach dieser Versammlung zu sich rufen und sagte ihm: „Wer bist du, dass du dich unterstehst, gegen die Zentralregierung zu arbeiten und in diesen Versammlungen für eine milde Behandlung der Armenier einzutreten und gar noch gegen meinen Befehl Armenierinnen in deinem Hause zu verstecken? Hört das nicht auf, so sollst du erfahren, dass wir die Macht haben, dich zur Raison zu bringen.“ … Kaum war der [Oberrichter] … daheim angekommen, erschien die Polizei mit Befehlen des Generals, und nahm ihm die Armenierinnen weg. Dessen ungeachtet hatte er nach wenigen Tagen wieder Flüchtlinge in sein Haus aufgenommen.


Abb. 63: Vermutete Primärmotivation von Helfern bedrohter Armenier


Ergebnis einer nicht repräsentativen Befragung von 527 überlebenden Armeniern, die an einem Oral-History-Projekt in Kalifornien teilnahmen. Nach: R. G. Hovannisian, Intervention and Shades of Altruism during the Armenian Genocide. In: The Armenian Genocide. History, Politics, Ethics. Edited by R. G. Hovannisian, New York 1992, S. 173 ff.

Graphik: A. Klenner















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