
Deutsch | 
|

| 
|

Buch | 
Unterrichtsmaterial über den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915/16 von Jörg Berlin |

Kapitel | 
06. Massaker an den Armeniern in den Jahren 1894-1896, 1909 und an Griechen 1914 vor dem Genozid |
 | 
Dokument 6.07 |

Hinweise für Lehrkräfte | 
Die Massaker in der Provinz Adana finden nach der Machteroberung der Jungtürken wohl gegen den Willen ihrer führenden Männer statt. Drastische Schilderung der Mordtaten. Armenier wehren sich mit Schusswaffen gegen Ermordung u. Plünderung. Zerstörung des Armenierviertels. Verweis auf Beteiligung des Militärs und lokaler jungtürkischer Politiker. |

Quelle | 
Politisches Archiv des deutschen Auswärtigen Amts. Zitiert nach: Wolfgang & Sigrid Gust (Ed.), www.armenocide.net. A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. 1909-06-19-DE-001. |

| 
|

| 
|
Der Kampf war furchtbar.
Aus einem dem deutschen Reichskanzler im Juni 1909 vom Geschäftsträger der Botschaft in Konstantinopel übermittelten Augenzeugenbericht der Eisenbahningenieure. H. Culemeyer und. I. Stutz über das Massaker in Adana im April 1909
Den Ereignissen gehen bereits verschiedene Morde zwischen Armeniern und Türken voraus. Daraufhin zeigten sich am Dienstag, dem 13 April, abends, die ersten Militärpatrouillen in den Straßen der Stadt. Nachdem am Mittwoch, dem 14 April, morgens die Waffenläden förmlich ausverkauft wurden, und verschiedene weitere Morde sich ereigneten, schlossen cirka 10 Uhr morgens sämtliche Läden und um [ca. 10.30 Uhr] begann das Schießen, zuerst in der inneren Stadt, dann sich gegen Mittag schnell in alle Quartiere fortpflanzend. Unser Haus, das von unserer Ingenieurbrigade gemietet war, lag an der Grenze zwischen einem größeren armenischen und einem türkischen Fellachenviertel. …
Nachdem um unser Haus die ersten Armenier von den verfolgenden Türken erschlagen worden waren, folgten wir einer Einladung der beiden Leiter eines deutschen Etablissements in das sichere Nachbarhaus. …
Von da [ca. 14.00 Uhr] ab begann in unserer Umgebung die allgemeine Jagd der mit Knüppeln, Säbeln, Messern, Revolvern und Gewehren bewaffneten Türken auf die sich in ihre Häuser flüchtenden Armenier. Es beteiligten sich vor allem der Pöbel und das reguläre Militär einer circa 50 Mann starken Quartierwache in unserer Nähe daran. In vielen Fällen übernahmen Hodschas [Geistliche] die Führung der Mengen.
Die Niedermetzelung der Leute geschah auf grausamste Weise, selbst Greise und schwer Verwundete wurden noch vollends totgeschlagen und zum Teil schrecklich verstümmelt. Den Gefallenen nahm man Waffen, Geld und Kleidungsstücke ab. …
Von aus der Stadt kommenden deutschen Herren hatten wir vernommen, dass dort die allgemeine Plünderung bereits um 12 Uhr mittags begonnen hatte. In der Nacht zum Donnerstag begann das Inbrandstecken einzelner Häuser in der Stadt und Umgebung, später ganzer Quartiere. Um 3 Uhr nachts zählten wir nicht weniger als 36 Feuerstellen von der Terrasse des Hauses aus, darunter das Großfeuer des vollständig niederbrennenden Dorfes Ingirli.
Am Donnerstagfrüh … gingen Pöbel und reguläres Militär, sowie von außerhalb eingetroffene Rediftruppen an die Erstürmung der Häuser des armenischen Viertels südlich der Bahnlinie. Der Kampf war furchtbar. Das Schnellfeuer der Mausergewehre mischte sich mit dem Krachen der einstürzenden Häuser. Alles wurde niedergemacht bis auf wenige Fliehende, die, von den Schützenlinien der Militärs ins Freie getrieben, dort ihren Weg von der Landbevölkerung abgeschnitten fanden. Die erstürmten oder verlassenen Häuser wurden von Pöbel und Militär gemeinsam geplündert und in Brand gesetzt. Die gut bewaffneten Armenier hatten Soldaten und sonstigen Angreifern nicht unbeträchtliche Verluste beigebracht. …
Vom Donnerstagabend an hatte das reguläre Militär offenbar den Befehl bekommen, von nun an wenigstens Weiber und Kinder der Armenier zu schützen und dem Plündern Einhalt zu tun. ... Am schlimmsten, was den Brand betrifft, ist es jedenfalls in der Nacht zum Freitag hergegangen.
An Freitagmorgen konnten wir wieder unser Haus beziehen. Es besserte sich die allgemeine Lage ein wenig, indem das Militär sich jetzt bemühte, einige Ordnung wieder herzustellen. Unter Abnahme führte das Militär aus unserm Armenierviertel Männer, Frauen und Kinder heraus, ihnen das Leben zusichernd. Am Freitagnachmittag wurde zwischen armenischen und türkischen Notabeln ein vorläufiger Waffenstillstand vereinbart, was aber nicht verhinderte, dass noch den ganzen Freitag und Samstag hindurch geschossen und geplündert wurde.
Freitagnacht ging auch das große Armenierdorf Giaurköi, 3 km nördlich von Adana, nach 3tägiger Verteidigung in den Flammen auf. Wir konnten auf unserer Nachwache das Geschrei der Leute hören. …
Am Sonnabend endlich wurde in unserer Umgebung mit dem Forträumen der Kadaver begonnen. Hunderte von Getöteten in der Stadt waren noch während des Mordens in den Seihunfluss geworfen worden.
Abb. 24: Massaker in Adana 1909

Aus: “Le Petit Journal”, Mai, 2, 1909, Paris [In schriftlichen Augenzeugenberichten wird ausdrücklich erwähnt, dass am dritten Tag befohlen wurde, Frauen u. kleine Kinder zu verschonen.]
Abb. 25: Massaker an Christen 1909
Aus: “Le Petit Journal”, Mai, 2, 1909, Paris
Abb. 26: Massaker an Armeniern 1909

Aus: “Le Petit Journal”, Mai, 2, 1909, Paris
Abb. 27: Opfer eines Massakers in der Provinz Adana 1909

|