Dokument 7.06

Deutsch

Buch	Unterrichtsmaterial über den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915/16 von Jörg Berlin
Kapitel	07. Gebietsverluste des Osmanischen Reiches vor dem I. Weltkrieg
	Dokument 7.06
Hinweise für Lehrkräfte	Russische Politik will Schwächung oder Zerstörung der Türkei. England u. Frankreich könnten dies irgendwann unterstützen. Österreich will keine Stärkung Russlands. Deutschland würde bei Aufteilung des Osman. Reiches leer ausgehen.
Quelle	Politisches Archiv des deutschen Auswärtigen Amts. Zitiert nach: Wolfgang & Sigrid Gust (Ed.), www.armenocide.net. A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. 1912-06-24-DE-001.

Ein stärkeres Interesse am Bestand der Türkei.

Aus einem Bericht des Botschaftsrats in Konstantinopel Mutius an den Reichskanzler Bethmann Hollweg vom 24. Juni 1912

[Es] ist doch nicht zu verkennen, dass gewisse europäische Mächte ein stärkeres Interesse am Bestand der Türkei nehmen müssen, als andere. Russlands Politik ist seit einem Jahrhundert auf die Zerstörung oder doch wenigstens Schwächung der Türkei gerichtet. Und wenn auch gewiss in dieser Frage der Einfluss Frankreichs und Englands sich einstweilen mäßigend geltend machen wird, so wäre doch auch eine Politik der Tripelentente, die nicht umsonst ein „Länderverteilungssyndikat“ [Randkommentar des Reichskanzlers Bethmann Hollweg: Syndicate for annexation + distribution of Foreign Countries run by Great Britain] genannt worden ist, denkbar, welche unter russischer Führung auf ihre Zertrümmerung abzielte.

In dem Maße aber, in dem Russland auf eine Zerstörung oder doch Minderung der Türkei hinarbeitet, muss Österreich (trotz der Annexion Bosniens und der Herzegowina) an ihrem Bestand und ihrer Stärkung interessiert sein. Und auch die deutschen Interessen scheinen mir unabhängig von dem nahen Bündnisverhältnis zu Österreich nach derselben Richtung zu weisen. Bei einer Aufteilung der Türkei müssten wir schon infolge unserer geographischen Lage zu kurz kommen.