Dokument 10.08

Deutsch

Buch	Unterrichtsmaterial über den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915/16 von Jörg Berlin
Kapitel	10. Der Genozid in der offiziellen türkischen Version
	Dokument 10.08
Hinweise für Lehrkräfte	Türkischer Minister: Es war Fehler, Armenier ausrotten zu wollen. Neue Regierung will Fehler gutmachen [nachdem Auslöschung beendet]. Fürchtet wohl Folgen der Gräueltaten bei Verhandlungen nach Kriegsende, will Schuld abwälzen.
Quelle	Haus-Hof- und Staatsarchiv, Politisches Archiv, Wien. Zitiert nach: Ohandjanian, Artem (Hg.), Österreich-Armenien 1872-1936. Faksimilesammlung diplomatischer Aktenstücke, Wien 1995, Bd. VII: 1916-1917, S. 5302 f.

Die heutige Regierung sei fest entschlossen.

Aus einem Bericht des österreichischen Botschafter in Konstantinopel vom 24. März 1917 an den Außenminister in Wien über ein Gespräch mit Djavit Bey, dem neuen, einflussreichen türkischen Finanzminister

Der Minister bezeichnete mir gegenüber die Verfolgung der Armenier, Griechen und Araber als größten Missgriff des früheren Kabinetts. Vom politischen Standpunkt sei es ein großer Fehler gewesen, ganze Nationen zu verfolgen und ausrotten zu wollen und vom wirtschaftlichen Standpunkt wäre die Vernichtung arbeitsamer Völkerschaften in der Türkei ein Verbrechen gewesen. Die heutige Regierung sei aber fest entschlossen, nicht nur diese Politik aufzugeben, sondern sogar gutzumachen, was möglich sei.

Die Tendenz, welche Djavit Bey bei dieser Politik verfolgt, ist ganz klar; er weiß, dass die Türkei den Krieg nicht mehr lange wird fortsetzen können. … Wahrscheinlich fürchtet er auch, dass [bei Friedensverhandlungen] uns und Deutschland das Fallenlassen der Türkei sehr erleichtert würde, wenn von gegnerischer Seite die armenischen und arabischen Atrozitäten [Gräueltaten] zur Sprache gebracht würden. Deshalb galt es für Djavid, rechtzeitig Umkehr zu halten und ein für die Friedensverhandlungen günstigeres Terrain zu schaffen, indem die Schuld für die Massakers der früheren Regierung in die Schuhe geschoben werden.