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Buch

Unterrichtsmaterial über den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915/16 von Jörg Berlin

Kapitel

07. Gebietsverluste des Osmanischen Reiches vor dem I. Weltkrieg

Dokument 7.04

Hinweise für Lehrkräfte

Russland will in Ostanatolien unter Vorwand von Reformen Gesamtprovinz aus sechs armenischen Provinzen. Eigentlicher Zweck: zunächst Bildung einer Einflusssphäre, dann Abspaltung wie in Mazedonien. Später Ausdehnung bis Konstantinopel.

Quelle

Haus-Hof- und Staatsarchiv, Politisches Archiv, Wien. Zitiert nach: Ohandjanian, Artem, Österreich-Armenien 1872-1936. Faksimilesammlung diplomatischer Aktenstücke, Wien 1995, Bd. VI: 1910-1913, S. 4022 ff.






Russlands Absicht.

Aus einem Schreiben des österreichischen Botschafters in Konstantinopel Palavicini vom 28. 6. 1913 an den Außenminister in Wien


[Ich melde,] dass meine letzten Gespräche mit Herrn von Giers [dem hiesigen russischen Botschafter] mich in der Auffassung immer mehr bestärken, dass es Russland bei der armenischen Reformfrage nur darum zu tun sei, aus den sechs anatolischen Vilajets [Provinzen], die es als seine Einflusssphäre betrachtet, eine große autonome Provinz mit ausgedehnten Privilegien zu machen.

In einem solchen Gebilde würde die christliche Bevölkerung, von russischen Agenten angestachelt, bald alle möglichen Rekriminationen [Gegenbeschuldigungen] gegen den General-Gouverneur und die türkischen Verwaltungsorgane erheben, und Russland jedenfalls Gelegenheit zu einem aktiven Einschreiten geben. …

Ich [halte] an meiner Ansicht fest, dass die Reformfrage für Russland nur Mittel zum Zwecke ist und das letzte Ziel seiner Politik die Ausbreitung der russischen Herrschaft über Ostanatolien und in späterer Folge über die ganze Küste des Schwarzen Meeres einschließlich Konstantinopel sei. …

Es schwebt den russischen Staatsmännern offenbar die Schaffung eines ähnlichen Zustandes vor, wie er für Mazedonien seinerzeit geplant und teilweise auch durchgeführt wurde. Der Keim des Zerfalles, der im mazedonischen Reformwerke von Anfang an gelegen war, ist so rasch zur Reife gekommen, dass der Gedanke, dasselbe Rezept auch auf Armenien anzuwenden, für Russland geradezu verlockend sein muss.

Die Beteuerungen über Wahrung der Integrität des Besitzstandes des Sultans dürften ebenso unaufrichtig sein, wie die seinerzeitigen russischen Erklärungen über die Wahrung der Integrität der europäischen Türkei.


Abb. 34: Russischer Bär und tapferer Türke

Aus: Punch , 1877, London. (Bezug zum gleichzeitigen Krieg zwischen den beiden Staaten.)


Abb. 35: Konfrontation zwischen britischem Löwen und russischem Bären

Aus: Punch, 1878, London.
(Konfrontation an der Grenze des Osmanischen Reiches am Kaukasus. 1907/08 einigten sich Russland und Großbritannien über Einflusszonen in Nord- und Südpersien. Dies ermöglichte Russland Truppenstationierung und Eisenbahnbau in Nordpersien. Es verschlechterte die strategische Lage der Türkei.)


Abb. 36: Eroberungen Russlands nördlich und südlich des Kaukasus

Aus: Hettner, Alfred, Grundzüge der Länderkunde, Bd.2, Leipzig 1924, S. 55.
Bis 1907/08 verhinderte Großbritannien ein weiteres Vordringen. Dann einigten sich beide Staaten über ihre Einflusszonen in Persien. Danach stationierte Russland in Nordpersien, d. h. im Osten des Osmanischen Reiches Truppen und betrieb den Eisenbahnbau.



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