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Buch | 
Unterrichtsmaterial über den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915/16 von Jörg Berlin |

Kapitel | 
13. Türkische und deutsche Helfer und Retter |
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Dokument 13.05 |

Hinweise für Lehrkräfte | 
Ein Landrat verbreitete Informationen über die Massaker in der Provinz Diarbakir. Versuchte Deportationszüge zu schützen. Wurde ermordet. Andere widerständige Beamte wurden entlassen oder ebenfalls ermordet. Deren Tod wurde Armeniern in die Schuhe geschoben. |

Quelle | 
www.aga-online.org. Verschwiegene Helden. |

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Befehl zur Tötung der Armenier.
Aus einem Bericht über Hüseyin Nesîmi Bey, den Landrat von Lice
Bis zur Ausrufung der Konstitutionellen Monarchie 1908 übte er selbständige Tätigkeiten in der osmanischen Hauptstadt İstanbul aus. Von 1909 an war er als Landrat in den Kreisen Navervan, Tercan (ehemals Mamahatun, Provinz Erzurum; heute Provinz Erzincan), Kiğı (Provinz Diyarbakır; heute Provinz Bingöl), Vilçetrin und Premedi tätig. Im April 1914 wurde er nach Savur und am 13. Januar 1915 nach Lice (Provinz Diyarbakır) geschickt. … Während seiner Amtszeit in Lice erlangte Hüseyin Nesîmi Bey Kenntnis über den vom Gouverneur von Diyarbakır, Dr. Reşit Şahingiray erlassenen Befehl zur Tötung der Armenier. Deswegen nahm er Kontakt zu Personen seines Vertrauens auf, um Schutzgarantien für die Armenier zu erlangen. Zugleich versuchte er die Deportationen so auszuführen, dass weder Armenier, noch Chaldäer zu Schaden kamen. Es ist überliefert, dass er Deportationszüge eigens begleitete und die Deportierten seinen bewährten Vertrauten übergab, bei denen sie Schutz fanden.
Nesîmi Bey äußerte einmal: "An dieser Sünde werde ich mich nicht beteiligen!” Kurze Zeit nach dieser Äußerung wurde er vom Vali Reşit nach Diyarbakır einbestellt und unterwegs in einer Bergschlucht auf Befehl Reşits durch einen Offizier der “Sonderorganisation” ermordet. In den Medien wurde dieser Mord wie folgt geschildert: "Er wurde bei der Verfolgung von irregulären Kämpfern am 15. Haziran 1331 [15. Juni 1915] bei einem Angriff armenischer Irregulärer in den Stand eines Märtyrers erhoben." … Insgesamt haben sich in der osmanischen Provinz Diyarbakır überdurchschnittlich viele Landräte und Mutasarrifs (Bezirksstatthalter) – die Hälfte aller derartigen Amtsträger - den mörderischen Befehlen des Provinzstatthalters Reşit widersetzt oder zu widersetzen versucht. Den Grund vermutet der französisch-armenische Historiker Raymond Kévorkian in dem Umstand, dass Reşit anscheinend so offenkundig im krassen Gegensatz zur bestehenden Gesetzeslage handelte, dass die untergeordneten Beamten die Vorlage entsprechender schriftlicher Anordnungen seitens der Zentralregierung forderten, um sich abzusichern. Die Folge war aber, dass die widerspenstigen Beamten entlassen oder sogar hingerichtet bzw. ermordet wurden: Zusätzlich zu drei hingerichteten Beamten wurde Mehmet [Muhammet] Hamdi Bey am 1.Juli 1915 als Vorsteher des Kreises (Kaza) Çermik durch Ferik Bey abgelöst. Mehmet Ali Bey, der Landrat von Savur, blieb nur vom 2. Mai bis 1.Oktober 1915 im Amt, und Ibrahim Hakkι Bey, der Landrat von Silvan, wurde am 31. August 1915 entlassen (2), ebenso wie die auf einander folgenden Landräte von Mardin, Hilmi Bey (entlassen 25. Mai 1915) und Şefik Bey (entlassen Juni 1915), weil auch sie sich geweigert hatten, die Vernichtungsbefehle des Provinzgouverneurs Reşit auszuführen. Der Landrat des Kreises Derik (Provinz Diyarbakιr), Reşit Bey, der vom 12. Oktober 1914 bis zum 2. Mai 1915 im Amt war, wurde nicht nur entlassen, sondern auf der Straße nach Diyarbakιr von den tscherkessischen Leibwächtern des Statthalters [des Komitees für Einheit und Fortschritt] Dr. Mehmet Reşit ermordet. Wie im Fall Hüseyin Nesîmis lastete man seine Ermordung den Armeniern an. Sie diente sogar als Vorwand zur Eliminierung der armenischen Männer im Landkreis Derik sowie der nachfolgenden Deportation. |