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Buch

Unterrichtsmaterial über den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915/16 von Jörg Berlin

Kapitel

10. Der Genozid in der offiziellen türkischen Version

Dokument 10.20

Hinweise für Lehrkräfte

Ausrottung der Armenier nicht nur in Ostprovinzen. Außerhalb der Kriegsgebiete werden armen. Verschwörungen konstruiert, um Ausrottungskampagne zu begründen. Artikelserie, um alle Armenier zu Terroristen zu stempeln, die furchtbares Blutbad unter Türken anrichten wollten. Alle diese Vorwürfe geprüft. Nichts stimmt. Massenmord geschieht mit Wissen der deutschen Regierung.

Quelle

Stuermer, Harry, Zwei Kriegsjahre in Konstantinopel. Skizzen deutsch-jungtürkischer Moral und Politik, Lausanne, 1917, S. 12.






Die Armenier-Politik der Jungtürken im Osten, in Anatolien und in der Hauptstadt.

Ein deutscher Zeitzeuge und Journalist verweist auf unterschiedliche Begründungen


Die türkische Regierung ... hatte es auf das ganze armenische Volk abgesehen, nicht nur in Armenien [= den sechs armenischen Vilajets] selbst, sondern auch … im eigentlichen [Zentral-] Anatolien und in der Hauptstadt. Das waren abermals einige Hunderttausende. Sie konnte aber nicht gut von einer Bevölkerung, die vom östlichen wie vom Dardanellenkriegsschauplatz in gleicher Weise viele Hunderte von Kilometern entfernt wohnte, den auf die sechs armenischen Vilajets angewandten Grundsatz der „Evakuierung der Kriegszone“ anrufen.

Sie schritt daher zu anderen Mitteln und entdeckte eine allgemeine Verschwörung unter den Armeniern des Reiches. Nur durch eine solche cynische Fälschung konnte sie ans Ziel gelangen, ihr wohldurchdachtes System der Ausrottung der gesamten armenischen Rasse durchführen. Mit bewusster Täuschung der öffentlichen Meinung der ganzen Welt erfand, ja bestellte die türkische Regierung lokale Verschwörungen, fälschte alle Zusammenhänge, um ganz ruhig ihre Ausrottungscampagne durch Monate hindurch betreiben zu können. Und in einer offiziösen Artikelserie wurde in den Zeitungen des jungtürkischen Comités der Bevölkerung klar gemacht, dass alle Armenier gefährliche Verschwörer seien, die mit Waffen und Bomben, unterstützt von englischem und russischem Geld, an dem Tage, wo die Flotte der Entente die Dardanellen bezwungen hätte, ein furchtbares Blutbad unter den Türken hätten anrichten sollen, um die osmanische Herrschaft abzuschütteln. Ich bemerke hier ausdrücklich, dass mir natürlich nichts von allem dem entgangen ist, was die türkische Regierung an Argumenten gegen die Armenier anführen konnte; es wurde ja zur Genüge breitgetreten in den eigenen, offiziellen und offiziösen Veröffentlichungen wie in den Abhandlungen deutscher „Türkeikenner“.

Ich habe alles geprüft und zwar gleich zu Anfang meines Aufenthalts in der Türkei, noch durchaus im Geiste der Türkophilie, der mich damals noch beherrschte, … und so gut wie ohne besondere Sympathien für das Armeniervolk ….

Ich kann hier nur … nach bestem Wissen und Gewissen sagen, dass nach dem ersten Akt massenmörderischer, tierisch roher „Evakuierung der Kriegszone“ im eigentlichen Armenien die Ausdehnung des Systems der Deportationen mit absichtlichem Hinsterbenlassen auf die weiteren Hunderttausende von Armeniern der Hauptstadt und des Landesinnern - die teils durch ihren Wohnort, ihr Milieu, ihre soziale Lage, ihre nur auf Arbeit und Verdienst gerichtete Denkweise zu einem aktiven Eingreifen in die Politik gänzlich unfähig waren, teils … sich ebenso aus Tradition wie aus Klugheit von allen revolutionären Machenschaften stets ängstlich fern hielten - … [eine verbrecherische Tat] ist, … begangen mit feiger Zustimmung der deutschen Regierung in voller Kenntnis der Tatsachen!

Von der Kette dieser Schandtaten habe ich wenigstens den Anfang tausendmal mit eigenen Augen mit anzusehen gehabt. Kaum war ich von meiner ersten Dardanellentour zurück, so setzten diese Verfolgungen, gleichzeitig mit ganz Anatolien, auch schon in der Hauptstadt Konstantinopel ein…



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