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Buch

Unterrichtsmaterial über den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915/16 von Jörg Berlin

Kapitel

02. Ausplünderung und Beraubung

Dokument 2.3

Hinweise für Lehrkräfte

Zwangsverkäufe von Immobilien an führende Jungtürken verlaufen formal korrekt. Aber nach Unterzeichnung der Verkaufsurkunden wird vorher ausgehändigte Kaufsumme weggenommen.

Quelle

Haus-Hof- und Staatsarchiv, Politisches Archiv, Wien. Zitiert nach: Ohandjanian, Artem (Hg.), Österreich-Armenien 1872-1936. Faksimilesammlung diplomatischer Aktenstücke, Wien 1995, Bd. VI: 1914-1915, S. 4717 ff.






Die Armenier sind rechtzeitig aufgefordert worden.

Aus einem Bericht des österreichischen Konsulats in Brussa an den Botschafter in Konstantinopel vom 23.8. 1915


In der gestern nachmittags abgeschobenen Gruppe befanden sich zumeist nur reiche armenische Familien, von welchen alle Grundbesitzer am Vorabend ihrer Abreise um 9.30 Uhr durch den Diener des Clubs Union & Progres aufgefordert wurden, sich behufs Übertragung ihrer Immobilien in die Defterhané [Behörde, Grundbuchamt] zu begeben. Diesem Befehl leisteten die Armenier sofort Folge und übertrugen zwangsweise ihre Immobilien auf Türken, deren Namen sie erst in der Defterhané erfahren hatten.

Die Zwangsverkäufe wurden auf folgende Weise durchgeführt: Die Armenier sind rechtzeitig aufgefordert worden, sobald sie vor der Defterhané erscheinen würden, zu erklären, dass sie ihr Haus oder Grundstück eigenwillig verkaufen und dass das ihnen angebotene Geld dem Gegenwerte des verkauften Gegenstandes entspricht. Im Zimmer, wo die Beamten und einige Zeugen sich befanden, lag auf einem Tische ein Sack mit Geld, welcher dem Verkäufer nach Beendigung der Formalitäten eingehändigt wurde. Der Käufer musste das Geld zählen, erklären, dass es richtig sei und … das Geld wieder in den Sack legen. Kaum aus dem Zimmer gelangt, wurde dem Verkäufer das Geld von Türken, die am Eingange warteten, abgenommen und derselbe Geld enthaltende Sack musste für weitere darauf folgende Zwangsverkäufe dienen. … Am erwähnten Abende wurden unter anderen die zwei schönsten Häuser Brussas übertragen, u[nd] zw[ar] das eine auf den Namen des Clubs Union et Progres und das andere auf den Präsidenten des Komitees, Ibrahim Bey.

Obwohl der hiesige Gouverneur den Eindruck eines guten und gerechten Menschen macht und, wie ich erfahren habe, sein Möglichstes behufs Vermeidung solcher Gräueltaten getan hat, besitzt derselbe nicht diejenige Macht, um sich den Mitgliedern des Komitees Union et Progres entgegensetzen zu können. Ich weiß mit Bestimmtheit, dass auch gestern während der Nacht derartige Verkäufe vorgenommen wurden.



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