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Buch

Unterrichtsmaterial über den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915/16 von Jörg Berlin

Kapitel

12. Zu Wirtschaft, Mentalität und Bevölkerungszahlen der Armenier

Dokument 12.02

Hinweise für Lehrkräfte

Armenier stellten 80 % in der Landwirtschaft, 10 % im Handel. Im Vergleich zu den Türken ist Anteil in Handel, Handwerk, Bankwesen u. Industrie jedoch vielfach höher. Detaillierter Vergleich für Provinz Siwas.

Quelle

Greenfield, J., Die wirtschaftliche Bedeutung Armeniens und der Armenier In: Rohrbach, Paul, Armenien, Beiträge zur armenischen Landes- und Volkskunde, Stuttgart 1919, S. 96, u. S. 98 ff.






„Erweist sich bei näherer Betrachtung der Wirklichkeit.“

Armenier in Handwerk, Handel und Ackerbau


Auch die weit verbreitete Annahme, die Armenier befassten sich in ihrer Gesamtheit oder überwiegend mit dem Handel, erweist sich bei näherer Betrachtung der Wirklichkeit als eine durchaus irrige, die nur dadurch entstehen konnte, dass man von den in den großen Städten Europas und der Levante ansässigen Armeniern, die allerdings vorwiegend zum Handelsstand gehören, Rückschlüsse auf die Nation in ihrer Gesamtheit zog.

In Wirklichkeit beschäftigen sich etwa siebzig bis achtzig Prozent aller Armenier mit dem Landbau …, und von den restlichen zwanzig bis dreißig Prozent geht noch ein gut Teil ab für die zahlreichen Angehörigen dieses Volkes, die in den freien Berufen oder als Handwerker, Arbeiter und Beamte ihren Lebensunterhalt finden. So sind es kaum mehr als zehn bis fünfzehn Prozent aller Armenier, die sich dem Handel widmen, ein an sich nicht unverhältnismäßig großer Prozentsatz, dem aber bei der Rührigkeit und Tüchtigkeit des armenischen Handelsstands, bei seinem schöpferischen Unternehmungsgeist, seiner Anpassungsfähigkeit, seinen Sprachkenntnissen und seiner Kapitalkraft ein oft beherrschender Einfluss auf das Wirtschaftsleben nicht nur in Armenien selbst, sondern bis tief nach Vorderasien hinein beizumessen ist. …

Auch in der Gegenwart haben große armenische Firmen, die einen weit verzweigten Handel mit dem Orient treiben, ihren Sitz oder Filialen in den kommerziellen Zentren Europas (Manchester, London, Hamburg, Leipzig, Berlin, Dresden, Marseille, Mailand, Wien und so weiter) und Amerikas. Die hervorragende Rolle des armenischen Kaufmanns in der Türkei ist bekannt. Ein sehr erheblicher Teil des türkischen Imports und Exports geschieht durch die großen armenischen Firmen in Konstantinopel, Smyrna, Samsun, Trapezunt und so weiter. …

In Siwas zum Beispiel, dem am wenigsten armenischen der sechs armenischen Wilajets, war die Beteiligung der Armenier an Handel und Industrie vor dem Kriege wie folgt:

Wilajet Siwas
Armenier
Türken
Andere Nationen
Zusammen
Importeure
141
13
12
166
Exporteure
127
23
-
150
Bankiers
32
5
-
37
Handwerker und Kleinhändler
6800
2550
450
9800
Industrieunternehmungen
130
20
3
153
In diesen beschäftigte Arbeiter
14000
3500
200
17700
Das technische Personal der industriellen Unternehmungen setzte sich ausschließlich aus Armeniern zusammen.

Aber so bedeutend auch der armenische Handelsstand an sich ist, er stellt nur einen geringen Bruchteil der Gesamtnation dar, die in ihrer weit überwiegenden Mehrzahl aus Landbebauern besteht. Der armenische Bauer gilt als fleißiger, intelligenter, Neuerungen zugänglicher, friedfertiger, nüchterner und ernster Menschenschlag, der mit Liebe an seiner Familie und Parzelle hängt und trotz seiner ausgeprägten liberalen Denkungsart und Toleranz treu zu seiner Religion und Nation hält, die für ihn oft gleichbedeutend sind. Das sind Eigenschaften, die im großen und ganzen für den armenischen Charakter aller Stände bezeichnend sind. ...

Der armenische Handwerker genießt im ganzen Orient den Ruf großer Geschicklichkeit. In der Türkei werden bis tief nach Mesopotamien und Syrien hinein die Handwerke meist von Armeniern ausgeübt. Als im Frühjahr 1915 alle Armenier bis auf Kinder, Frauen und Greise in die Verbannung verschleppt wurden, schloss man vielfach nur die armenischen Handwerker von der Deportation aus – ein Beweis für ihre Unentbehrlichkeit.


Abb. 52: Armenische Bauernfamilie bei der Herstellung von Butter

Aus:Kevorkian, Raymond H., Paboudjian, P. P., Les Armeniens dans L’Empire Ottoman a la Veille du Génocide, Paris 1992, S. 62.



Abb. 53: Armenische bürgerliche Familie


Aus: Kevorkian, Raymond H., Paboudjian, P. P., Les Armeniens dans L’Empire Ottoman a la Veille du Génocide, Paris 1992, S.261.



Abb. 54a-d: Türkinnen, armenisches Mädchen und armenischer Bürger

Aus: Die Türkei. Mit 215 Abbildungen zusammengestellt und eingeleitet von Franz Carl Endres, München 1916, S. 35 u. S. 46. Oben: Türkinnen, unten: armenisches Mädchen und armenischer Bürger.


Abb. 55: Armenische Färber

Aus: Kevorkian, Raymond H., Paboudjian, P. P., Les Armeniens dans L’Empire Ottoman a la Veille du Génocide, Paris 1992, S.241.


Abb. 56: Einkaufsstraße in Konstantinopel mit Schildern in arabischer, griechischer, lateinischer und armenischer Schrift

Aus: Kevorkian, Raymond H., Paboudjian, P. P., Les Armeniens dans L’Empire Ottoman a la Veille du Génocide, Paris 1992, S. 101.



Copyright © 2014 Dr. Jörg Berlin: www.armenocide.net A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. All rights reserved