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Buch

Unterrichtsmaterial über den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915/16 von Jörg Berlin

Kapitel

06. Massaker an den Armeniern in den Jahren 1894-1896, 1909 und an Griechen 1914 vor dem Genozid

Dokument 6.01

Hinweise für Lehrkräfte

Behörden deuten Widerstandsaktionen der Armenier gegen räuberische Kurden als staatsfeindliche Aktionen. Aus der Abwehr von Verhaftungen resultieren Kampfhandlungen mit Militär.

Quelle

Bliss, E.M., Turkey and the Armenian Atrocities, (New York) 1896, S. 373 ff.






Wir hinderten sie daran.

Aus dem Bericht eines armenischen Dorfbewohners über Ereignisse in der Nähe von Sassun 1894


Mein Name ist Asdadur Giragosian. Meine Heimat war ... in dem zentralen Dorf ... des Tales von Geligozan. Bis 1894 ging es meiner Familie – wie den meisten Familien in Sassun – immer besser. Die Kurden in unserer Umgebung waren insgesamt gesehen friedlich. Gleichwohl stahlen sie häufig Rinder und Schafe, wie es ihren Gewohnheiten entspricht. Aber wir waren im Allgemeinen in der Lage unsere Tiere - oder an deren Stelle andere – zurückzuholen. Im Frühjahr 1894 begannen die Kurden unsere Schafe in einer sehr viel dreisteren Art wegzutreiben als gewöhnlich.

Um die gleiche Zeit ließ die Regierung, die vermutete, es gäbe viele bewaffnete Revolutionäre in Sassun, nach solchen suchen. Es gelang jedoch nicht, welche zu finden.

Dann wollten sie mehrere unserer führenden Persönlichkeiten festnehmen und diese als Revolutionäre nach Mush abführen.

Sie behaupteten: Ihr habt hier revolutionäre Gesellschaften… Wir leisteten Widerstand und hinderten sie daran, unsere Leute abzuführen. Wie ich sagte, machten die Kurden in diesem Frühjahr mehrere Überfälle und trieben unser Vieh weg. Wir folgten ihnen und retteten unsere Tiere. Dabei töteten wir ein oder zwei Männer, die wir so beerdigten, dass sie diese nicht finden konnten. Zweimal überfielen sie uns mit diesem Ergebnis, aber beim dritten Mal konnten wir die Kurden, die wir getötet hatten, nicht beerdigen. Sie nahmen diese mit nach Mush, zeigten sie den Behörden. Es folgte ein großer Tumult, und es hieß: „Die Armenier von Sassun haben rebelliert und moslemische Einwohner massakriert.“ Außerdem: „Sie sind mit Gewehren und Kanonen bewaffnet.“

Die türkischen Behörden bedienten sich dieses Vorwands und hetzten die Kurden auf, die armenischen Dorfbewohner anzugreifen und sie zu massakrieren. Aber obwohl die Kurden durch die Behörden gut bewaffnet worden waren, konnten wir ihnen dank unserer günstigen Position fünfzehn Tage erfolgreich standhalten. ... Während dieser Zeit wurden in Mergemozen rasch türkische Soldaten zusammengezogen. Etwa 25 Bataillone von Soldaten wurden dort gesammelt.

In dem Kampf mit den Kurden verloren wir nur sieben Mann, aber drei armenische Dörfer wurden verbrannt. Nun begannen die herangeführten Soldaten anzugreifen. An einem Tag hörten wir den Klang ihrer Signalhörner, und einen ganzen Tag rückten sie unter großem Lärm vor und belagerten Geligozan von drei Seiten. Der Weg zu einem sehr hohen Berg namens Andok war offen und wir konnten unsere Familien und Herden dorthin bringen, aber in hastiger Weise und unter Schusswechseln mit türkischen Soldaten. ... Wir hatten das Dorf bereits verlassen und oberhalb zwischen den Felsen Zuflucht gefunden. Unsere Position ermöglichte es uns, ihnen den ganzen Tag zu widerstehen, aber wir mussten zusehen, wie sie das Dorf Husentsik abbrannten. Gegen Abend machten sie einen energischen Angriff und kamen näher an uns heran. Unsere Munition war fast verschossen und wir begannen uns zurückzuziehen.



Copyright © 2014 Dr. Jörg Berlin: www.armenocide.net A Documentation of the Armenian Genocide in World War I. All rights reserved